Multipolare Weltordnung und die Rolle Russlands: Ein neuer Weg oder alte Illusionen?

RT DE: Ein Politikwissenschaftler aus Russland machte scherzhaft eine Bemerkung über Trumps Sieg. Er behauptete, Russland habe sich durch das erfolgreiche BRICS-Forum in Kasan, das vor zwei Wochen stattfand, massiv in die US-Wahlen eingemischt. Steuern wir jetzt noch eher auf eine multipolare Weltordnung zu, wie es Russland bevorzugt?

Moosdorf: Angesichts der Seiteneffekte von 2015 sollten wir in Europa tatsächlich einer multipolaren Weltordnung positiv gegenüberstehen. Die Migrationsströme, die auf uns zukamen, waren oft eine direkte Folge kurzfristiger US-Politiken in Ländern wie Afghanistan, Syrien, Jemen und Irak. Diese Politiken haben massive Flüchtlingsbewegungen nach Europa ausgelöst. Wären wir vollkommen souverän gewesen, hätten wir sicherlich anders gehandelt.

Im Untersuchungsausschuss zu Afghanistan musste man später das katastrophale Scheitern der Mission eingestehen. Nach dem 11. September traute sich niemand, den USA zu widersprechen, als sie ihre Truppen nach Afghanistan entsandten. Heute sehen wir das differenzierter und erkennen darin einen schweren Fehler, der Deutschland 12 Milliarden Euro kostete, fast 60 Bundeswehrsoldaten das Leben nahm und eine der schlimmsten Terrororganisationen besser ausrüstete.

Glauben Sie, dass es im Ukraine-Krieg bald zu einem Waffenstillstand kommen könnte?

Ich war persönlich anwesend, als Donald Trump im Dezember erklärte, er würde im Falle seines Wahlsiegs einen Deal aushandeln, um das Sterben in der Ukraine zu beenden. Ich bin gespannt auf die Details dieses Deals und den Zeitrahmen, in dem er effektiv umgesetzt wird.

Russland strebt jedoch keinen Waffenstillstand an, sondern den Zusammenbruch des Regimes in Kiew. Wie könnte eine Annäherung aussehen? Was würden Sie als Diplomat vorschlagen?

Ich denke, die Lösung könnte nah an dem sein, was bereits in Istanbul diskutiert wurde: “Frieden gegen Land”. Dies könnte zukünftige ethnische Konflikte minimieren, indem Russen und Ukrainer räumlich getrennt werden, auch wenn das schwierig ist, bedenkt man die familiären Verbindungen zwischen beiden Nationen.

Politisch hat sich die Situation seit Kriegsbeginn stark verändert. Ehrlicherweise scheint es, als hätte die Ukraine ihre Position verschlechtert, während Russland seine verbessert hat. Eine mögliche Einigung könnte darin bestehen, dass Russland die Unabhängigkeit der Ukraine anerkennt, innerhalb neu abgestimmter Grenzen, wahrscheinlich inklusive der vier Oblaste und der Krim, sowie der Zusicherung, dass die Ukraine nicht der NATO beitritt.

Sind diese Ziele, vor allem die Anerkennung neuer Grenzen und der NATO-Verzicht der Ukraine, realistisch erreichbar?

Geopolitik ist nüchtern und moralische Überlegungen spielen keine Rolle. Es wird das ausgehandelt, was politisch für beide Seiten tragbar ist. Ein realistischer Gewinn für die Ukraine wäre ein Ende des Sterbens und der Beginn des Wiederaufbaus. Für Russland bedeutete es, keine Bedrohung mehr zu haben.

Putin scheint es nie um die Eroberung der Territorien zu gehen, sondern um die Menschen. Wären 14.000 Amerikaner in einer ähnlichen Situation gestorben, hätte die US-Marine wohl längst eingegriffen. Die Europäische Union hätte den Konflikt verhindern sollen, doch setzte sie auf das falsche Pferd.

Was erwarten Sie persönlich von einem Trump-Sieg?

Ich denke, Trump wird vieles umwälzen: Er wird die Zensur in sozialen Medien bekämpfen, für Lehrfreiheit an Universitäten sorgen und die Gender- und Woke-Agenda zurückfahren. Ich erwarte, dass er eine vernunftbasierte Industriepolitik fördern wird, um den sozialen Wohlstand zu sichern.

Wenn er Erfolg hat, könnte die Demokratie nach westlichem Vorbild wieder ein Exportschlager werden. Andere Länder, besonders im Globalen Süden, könnten sich wieder am Westen orientieren. Die aktuellen Entwicklungen im Westen wecken allerdings Bedenken und bedürfen dringend einer Revision. Ich glaube, Trump könnte das Signal für eine solche Wende sein.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte RT DE-Redakteur Wladislaw Sankin

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