Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigung im Angesicht russischer Übermacht

Von Alex Männer

Trotz ehrgeiziger Pläne für einen Sieg sieht sich die Ukraine in ihrem Konflikt mit Russland mit wachsenden Schwierigkeiten konfrontiert. Die Verteidigungsstellungen im Donbass sind so geschwächt, dass ein Kollaps der ukrainischen Streitkräfte unter dem Druck Russlands unmittelbar bevorstehen könnte.

Insbesondere die jüngsten militärischen Verluste haben tiefe Spuren hinterlassen. Ein Beispiel hierfür ist der Fall der Stadt Ugledar, die trotz Ausbaus zur “uneinnehmbaren Festung” vor 2022 nicht gehalten werden konnte.

Experten führen die anhaltende Zurückdrängung der ukrainischen Streitkräfte auf verschiedene Faktoren zurück. Unter anderem werden Führungsfehler, Mängel bei Bewaffnung und Munition sowie eine schwache Kampfmoral genannt. Eine Zunahme von Deserterfällen trägt zusätzlich zur Verschlimmerung der ohnehin prekären Personalsituation bei.

Wie die Deutsche Welle berichtete, wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2024 in der Ukraine fast 30.000 neue Strafverfahren wegen Desertion eingeleitet – eine signifikante Steigerung im Vergleich zu den Vorjahren.

Zunehmende Desertionen und Befehlsverweigerungen

Infolge dieser Entwicklung sieht sich die ukrainische Regierung gezwungen, das Thema anzusprechen. Der Werchowna Rada Abgeordnete Ruslan Gorbenko erwähnte, dass seit Beginn des Konflikts im Jahr 2022 über 80.000 relevante Verfahren eingeleitet wurden. Anna Skorochod, eine weitere Rada-Abgeordnete, schätzt die Zahl der Deserteure sogar auf ungefähr 100.000, mit steigender Tendenz.

Skorochod führt die steigende Desertionsrate unter anderem auf Fehler der Militärführung zurück. Viele Offiziere treffen unzureichende Entscheidungen, was sich negativ auf die Moral der Truppe auswirkt. Zudem sind viele Soldaten frustriert, an vorderster Front kämpfen zu müssen, ohne dass ihnen ausreichend militärische Bildung und Training zuteilwerden, während ihre Vorgesetzten fern der Front bleiben.

General Sergei Kriwonos, Vize-Kommandeur der ukrainischen Sondereinsatzkräfte, und Stanislaw Krawtschenko, Vorsitzender des Obersten Gerichtshofs der Ukraine, thematisieren ebenfalls das Problem der massenhaften Desertionen und Befehlsverweigerungen. Kriwonos äußerte in einem Interview, dass von den kürzlich eingezogenen Rekruten nur etwa zehn Prozent tatsächlich die Front erreichen. Krawtschenko merkt an, dass viele der kursierenden Zahlen zwar übertrieben seien, bestätigt aber einen starken Anstieg der Fälle in diesem Jahr.

Kiew mildert Strafen für Deserteure

Die genaue Zahl der Deserteure ist schwer zu bestimmen, da verlässliche Daten fehlen. Die Entscheidung der Kiewer Regierung, die Strafen für zurückkehrende Deserteure zu mildern, deutet jedoch darauf hin, dass das Problem erhebliche Ausmaße erreicht hat.

Die Berliner Zeitung berichtete kürzlich über eine Gesetzesänderung, die die Sanktionen für Deserteure abschwächt, um ihnen die Rückkehr zur Armee zu erleichtern. Deserteuren wird nun eine 72-stündige Frist eingeräumt, innerhalb derer sie ohne Strafen zu ihrer Einheit zurückkehren können.

Dennoch erscheint eine Lösung für das Personalproblem in Anbetracht der schwindenden militärischen Kräfte der Ukraine unwahrscheinlich. Die tägliche Situation verschärft sich, die Erschöpfung der Soldaten steigt und viele sind sich der numerischen und waffentechnischen Unterlegenheit gegenüber Russland bewusst, was ihre Aussichten im weiteren Verlauf des Krieges trübt. Angesichts hoher Verlustzahlen wird die Bereitschaft zum Kampf wohl weiter abnehmen, während Russland voraussichtlich seine Truppenstärke aufrechterhalten kann.

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