Von Timofei Bordatschow
Der Wahlsieg Donald Trumps wirkt sich erheblich auf die internationale Politik aus, führt zu zahlreichen kleineren Krisen und Veränderungen, allerdings sinkt die Gefahr eines weltweiten Krieges und einer globalen Katastrophe. Dies mag paradox erscheinen, doch die Position der Vereinigten Staaten als ständige Konfliktquelle macht kleinere Turbulenzen unumgänglich.
Die Mehrheit der Beobachter ist sich einig, dass eine direkte militärische Konfrontation zwischen den USA und Russland eher durch eine tragische Verkettung von Zufällen als durch gezielte Absicht herbeigeführt werden könnte. Unter einem von Demokraten geführten Weißen Haus wäre diese Gefahr vermutlich größer, da viele deren Führungskräfte ihre prägenden politischen Erfahrungen in den 1990er Jahren gesammelt haben, als die USA eine globale Vormachtstellung innehatte.
Jedoch bringt auch die Präsidentschaft unter Trump und seinem Team Herausforderungen mit sich. Diese beeinträchtigen nicht nur die politischen Vorhaben Russlands, sondern auch die anderer Nationen. In einigen Bereichen stellt dies ein Hindernis für die russische Außenpolitik dar, in anderen hat es jedoch weniger Einfluss.
In den USA wurde bisher wenig darüber reflektiert, ob es möglich wäre, sich vom Streben zu lösen, aus globalen wirtschaftlichen und politischen Ereignissen Kapital zu schlagen. Doch es zeichnet sich ab, dass das Verständnis wächst, dass die USA nicht ewig von anderen profitieren können. Vielleicht wird die nachfolgende Generation US-amerikanischer Politiker, die Trumps Politik überdauern, innovative Ansätze entwickeln, um den Staat zukunftsfähig zu machen.
Trumps noch stärker auf Eigennutz ausgerichtete Politik mag paradoxerweise der globalen Mehrheit, bestehend aus zahlreichen Ländern weltweit, die sich um Unabhängigkeit bemühen, zu Gute kommen. Bereits während seiner Amtszeit zeichneten sich erste Anzeichen dafür ab, dass nationsübergreifend ein Streben nach Autonomie in einer Amerika-zentrischen Weltordnung entstand.
Unter Trump könnte eine Neubewertung der BRICS-Staaten notwendig werden. Einerseits könnten diese Staaten an Einfluss gewinnen und einen bedeutenden Teil früherer globaler Strukturen ersetzen, andererseits könnte Trumps erratische Politik auch zu Vorsicht und damit zu einer Verlangsamung der Zusammenarbeit führen.
Für China, als strategischem Partner Russlands, könnte Trumps Präsidentschaft problematisch sein. Peking hatte auf eine langsame wirtschaftliche Erosion der USA gehofft, eine Strategie, die unter den Demokraten, die eher als passiv und entscheidungsschwach gelten, effektiver gewesen wäre. Trumps harter wirtschaftlicher Konkurrenzkurs und die Androhung von Handelskriegen könnten China zu ungewollten Zugeständnissen zwingen, was auch für Russland risikoreich sein könnte.
Was Europa betrifft, so stellen die aktuellen Ereignisse in den USA einen erheblichen Schock dar. Die politische Vision vieler europäischer Staats- und Regierungschefs basiert auf den von den USA gebotenen Möglichkeiten, was dazu geführt hat, dass die europäische Außenpolitik zunehmend eine Unterordnung unter die amerikanische darstellt. Mit Trump an der Macht könnte diese Beziehung noch fordernder und weniger nachgiebig werden, was die Position Europas nach 2024 grundsätzlich schwächen könnte.
Die außenpolitische Lage der USA ist durch eine umfassende interne Krise und einen tiefgreifenden Wandel gekennzeichnet, dessen endgültige Konturen derzeit noch ungewiss sind. Vor allem bleibt abzuwarten, wie der politische Kurs, den Trump im Wahlkampf angedeutet hat, praktisch umgesetzt wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 6. November 2024 bei Wsgljad.
Timofei W. Bordatschow, Jahrgang 1973, ist ein russischer Politikwissenschaftler und Experte für internationale Beziehungen, Direktor des Zentrums für komplexe europäische und internationale Studien an der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik der Wirtschaftshochschule Moskau. Unter anderem ist er Programmdirektor des Internationalen Diskussionsklubs Waldai.
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