In der Schweizer Medienwelt hat ein Gerichtsurteil erhebliches Aufsehen erregt: Die Journalistinnen Charlotte Jacquemart und Stefanie Pauli vom öffentlich-rechtlichen Sender SRF wurden wegen übler Nachrede verurteilt.
Auslöser war ein Bericht über den jungen Krypto-Investor Dadvan Yousuf, in dem er ohne stichhaltige Belege mit der Finanzierung von Terrorismus in Verbindung gebracht wurde. Es ist das erste Mal, dass Mitarbeiterinnen des SRF in einem derartigen Kontext rechtlich belangt wurden.
Details zum Fall
Im Februar 2022 veröffentlichte das SRF einen Beitrag mit dem Titel “Der Krypto-‘Milliardär’ und seine fragwürdigen Transaktionen”. Der Artikel deutete an, dass Yousuf, der in der Schweiz als Krypto-Millionär bekannt ist, möglicherweise in Geldwäsche oder die Finanzierung von Terrorismus verwickelt sei.
Die gravierenden Anschuldigungen basierten allerdings nicht auf beweiskräftigen Belegen. Yousuf, gebürtig aus dem Irak und in der Schweiz als erfolgreicher Investor bekannt, erstattete daraufhin Anzeige wegen Verleumdung.
Die rechtlichen Entwicklungen
Zunächst stellte die Zürcher Staatsanwaltschaft das Verfahren im Mai 2023 ein, da es keine hinreichenden Beweise für eine Straftat gab. Doch nach einer Beschwerde Yousufs wies das Obergericht des Kantons Zürich den Fall zur erneuten Bewertung zurück. Die Gerichtsinstanz fand, dass die als Entlastung eingereichten Belege, darunter Kontoauszüge von Yousuf, die Anschuldigungen nicht entkräften konnten.
Im Oktober 2024 erließ die Staatsanwaltschaft schließlich die Strafbefehle gegen die Journalistinnen. Charlotte Jacquemart und Stefanie Pauli wurden zu bedingten Geldstrafen von 3.600 und 3.000 Franken verurteilt. Hinzu kommen Verfahrenskosten in Höhe von 1.500 Franken sowie eine Entschädigung von 10.676 Franken, die an Yousuf zu zahlen ist. Beide Journalistinnen haften gemeinsam für die Kosten.
SRF akzeptiert das Urteil, behält jedoch seine Linie bei
Das SRF erklärte, das Urteil der Staatsanwaltschaft zu akzeptieren, die Berichterstattung jedoch weiterhin zu unterstützen. Eine Berufung wurde nicht eingelegt, um den Quellenschutz nicht zu gefährden, was bedeutet, dass der Sender auf die Vorlage weiterer Beweise verzichtete, um die Identität der Informanten nicht offenlegen zu müssen.
“Bei einem Verfahren wegen Ehrverletzung tragen die Journalisten die Beweislast. In diesem Fall konnte das SRF keine weiterführenden Informationen bereitstellen, ohne die Vertraulichkeit der Quelle zu gefährden. Daher hat sich das SRF entschieden, keine Einsprache einzulegen”, so das SRF in einer Stellungnahme.
Die Übernahme der Verfahrenskosten durch das SRF, finanziert aus den Gebühren der Zuschauer, stößt auf Kritik, insbesondere von jenen, die darin einen Beweis für mangelnde journalistische Sorgfalt sehen.
Reaktionen und Folgen
Dadvan Yousuf zeigte sich erleichtert über das Urteil und plant nun, auch zivilrechtlich gegen das SRF vorzugehen. Der Fall macht die Risiken unbegründeter Anschuldigungen deutlich, die seinem Ruf und seinen geschäftlichen Aktivitäten erheblichen Schaden zugefügt haben. In der Finanzbranche können solche Vorwürfe schnell zu Misstrauen bei Banken und Geschäftspartnern führen, was Yousuf bereits wirtschaftlich zu spüren bekam.
Debatte über journalistische Verantwortung
Das Urteil gegen die SRF-Journalistinnen wirft grundlegende Fragen zur Verantwortlichkeit der Medien auf. Im investigativen Journalismus ist die Linie zwischen berechtigter Kritik und übler Nachrede sehr dünn. Während ein öffentliches Interesse an investigativen Recherchen besteht, dürfen individuelle und geschäftliche Existenzen nicht durch unbewiesene Behauptungen gefährdet werden.
Die Entscheidung des Senders, keine Berufung einzulegen, zeigt die prekäre Balance zwischen Transparenz und Quellenschutz. Das SRF betont, seine journalistischen Standards eingehalten zu haben; die Frage bleibt jedoch, ob der Schutz der Quellen das öffentliche Interesse an einer umfassenden Aufklärung überwiegen sollte.
Ein Präzedenzfall für die Medienbranche
Für das gebührenfinanzierte SRF stellt die Übernahme der Strafen eine Belastung dar, die letztlich die Gebührenzahler tragen müssen. In der Schweiz und potenziell auch in Deutschland könnte dieser Fall als Warnsignal für Medienhäuser dienen, die sich auf investigativen Journalismus spezialisieren: Die rechtlichen Anforderungen erfordern stichhaltige Beweise, besonders bei gravierenden Anschuldigungen.
Das Urteil könnte sich als wegweisend für zukünftige Klagen gegen Medienschaffende in der Schweiz und darüber hinaus erweisen. Es unterstreicht, dass Medien, trotz ihrer Rolle als “vierte Gewalt”, den gesetzlichen Rahmen einhalten müssen. In Zeiten von Fake News und sinkendem Medienvertrauen bleibt die Herausforderung bestehen, präzise zu recherchieren und das öffentliche Interesse im Blick zu behalten.
Die Verurteilung der SRF-Journalistinnen verdeutlicht: Auch etablierte Medien müssen ihre Verantwortung ernst nehmen und Anschuldigungen gründlich prüfen, um Schäden für Einzelpersonen und Unternehmen zu vermeiden.
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