Von Kirill Awerjanow
Donald Trumps Sieg bei den US-Präsidentschaftswahlen hat weltweit für politische Schockwellen gesorgt. Besonders auffällig ist die Verwirrung der politischen Eliten, für die Trump früher eine Außenseiterfigur oder sogar ein Feindbild war.
Plötzlich ergießen sich Lobeshymnen auf Trump, oder es werden eilige Treffen abgehalten, um eine strategische Marschrichtung zu entwickeln. So wurde beispielsweise bekannt, dass der polnische Präsident Andrzej Duda bald einen Besuch in den USA plant.
Der polnische Premierminister Donald Tusk hat seine früheren Aussagen über Trump regelrecht revidiert. Im Jahr 2023 äußerte er noch:
“Amerikanische Dienste schließen nicht aus, dass Trump vor 30 Jahren von russischen Geheimdiensten rekrutiert wurde.”
Nach dem Wahlsieg sah sich Tusk jedoch gezwungen, seine Worte zurückzunehmen und so zu tun, als hätte er sie nie gesagt. Der Journalistin Monika Rutke, die Tusk während einer Pressekonferenz am 7. November an seine frühere Behauptung erinnerte, wurde in der Folge mitgeteilt, dass ihre Zusammenarbeit mit dem Büro des Premierministers beendet sei.
Auch der polnische Außenminister Radosław Sikorski, der Trump einst als “Protofaschisten” kritisierte, änderte seine Haltung und betonte kürzlich die Bedeutung der polnischen Außenpolitik, Kontakte zu beiden großen amerikanischen Parteien zu pflegen. Diese scheinbare Kehrtwende hat in Polen für großes Aufsehen gesorgt, da die Medien Sikorski sofort an seine früheren Aussagen erinnerten.
Während einige in Polen Trumps Wahlsieg bejubeln, löst dieser bei vielen Politikern Unsicherheit und Sorge aus. Maciej Konieczny, ein Abgeordneter der Regierungskoalition, äußerte im Sejm Bedenken hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Ukraine und die Sicherheitslage Polens.
Ex-Diplomat Witold Jurasz sieht in Trumps Wahlsieg eine direkte Bedrohung für Polen, insbesondere durch Trumps frühere Vorschläge, die USA aus der NATO zurückzuziehen. Jurasz sieht eine Instabilitätsperiode voraus, die vor allem Russland nutzen könnte.
Einige polnische Politiker suchen derweil nach Möglichkeiten, ihre Karriere unter der neuen US-Administration zu fördern. Beispielsweise wurde Trump ein USB-Stick übergeben, der Negative Äußerungen polnischer Politiker über ihn enthielt.
Die politische Zukunft Polens unter Trumps Präsidentschaft bleibt ungewiss. Zwar sprach Trump von der Errichtung eines “Fort Trump” auf polnischem Boden, jedoch sieht er in Polen offenbar nicht den Partner, den er sich wünscht. Stattdessen könnten die USA versuchen, Polens Bestrebungen, eine Führungsrolle in Europa zu spielen, einzudämmen.
Die Frage bleibt, ob sich ambitionierte polnische Politiker mit einer reduzierten Rolle zufriedengeben werden, oder ob sie versuchen werden, eine Opposition gegen die US-Politik in Europa zu formen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 9. November 2024 zuerst bei der Zeitung Wsgljad erschienen.
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