Die Illusion der Einigkeit: Wagenknechts Kaderpartei und ihre Grenzen

Von Rüdiger Rauls

Private Kaderpartei

Sahra Wagenknecht hat nach ihren Erfahrungen mit der Linkspartei sowie der Bewegung “Aufstehen”, die beide offenbar an internen Strömungen gescheitert sind, wohl die Idee gefasst, dass eine neue Partei mit gleichgesinnten Mitgliedern sinnvoller wäre. Unter diesem Gedanken hat sie eine Gruppe um sich versammelt, die ihre Überzeugungen teilt. Dies führte zur Gründung einer Kaderpartei mit einer überschaubaren Anzahl handverlesener Mitglieder und noch weniger Aktiven sowie Entscheidungsträgern. Die Auswahlkriterien bleiben dabei weitgehend undurchsichtig, wobei politisches Bewusstsein und Erfahrung nicht vorrangig zu sein scheinen, wie die Führungsqualität in manchen Gremien offenbart.

Die Partei zog bisher hauptsächlich Nutzen aus der allgemeinen Unzufriedenheit im Land, der schwindenden Überzeugungskraft der Regierungsparteien sowie der Hoffnung auf Veränderung, die viele Wähler mit Wagenknecht verbinden. Doch reicht das aus, um wirkliche politische Änderungen herbeizuführen? Bei den Wahlen im Osten erzielte das Bündnis zwar beeindruckende Erfolge, doch die politische Substanz hinter diesem Erfolg bleibt unklar. Schon bei der ersten Sitzung des Thüringer Landtags beteiligte sich das BSW regelrecht an dem typischen Parteienstreit, den es eigentlich zu überwinden versprach.

Wagenknechts anfängliche Idee, eine einheitliche Gruppe zu schaffen, hielt den praktischen politischen Herausforderungen nicht stand. Politische Auseinandersetzungen und Vorwürfe, die anfänglich intern geführt wurden, treten zunehmend öffentlich zutage. Neue gesellschaftliche Entwicklungen bringen auch neue Meinungen mit sich, und die Vorstellung, dass intern geteilte Überzeugungen unter diesen Umständen unangetastet bleiben, erweist sich als naiv.

Teilhabe an der Macht

Trotz Siegen bei Landtagswahlen stößt das BSW auf innerparteiliche Widersprüche, vor allem angesichts der Aussicht auf politische Beteiligung in Regierungen. Diese Situation bedroht nicht nur das BSW, sondern jede Partei, die sich parlamentarischen Prozessen stellt. Historisch gesehen gerieten bereits Parteien wie die SPD und die Grünen in ähnliche Dilemmata zwischen ideologischen Prinzipien und Machterhalt. Das BSW erlebt nun möglicherweise eine stärkere Beschleunigung dieses Zerfallsprozesses.

Das heutige politische Bewusstsein innerhalb des BSW fehlt einer tieferen Weltanschauung. Die Partei formuliert zwar Ansprüche wie jede andere Partei auch, doch ohne eine feste weltanschauliche Basis. Innerhalb des BSW bricht nun, nach den Erfolgen bei den Landtagswahlen, offener Konflikt um Macht und Mitbestimmung aus.

Nicht noch eine Partei

Wagenknecht und das Führungsduo in Berlin haben möglicherweise Schwierigkeiten, die interne Krise um Koalitionspräambeln ernst zu nehmen, die als wichtig für die Glaubwürdigkeit der Partei betrachtet werden. Das BSW will sich nicht dem Vorwurf des Opportunismus aussetzen, den es anderen Parteien immer vorgeworfen hat. Doch selbst diese Auseinandersetzungen zeigen, wie gering der praktische Einfluss solcher Koalitionsbedingungen auf die Lebenswirklichkeit der Menschen ist.

Wagenknecht hatte mit “Aufstehen” und späteren Initiativen den richtigen Ansatz, nämlich Menschen aktiv für ihre Interessen zu organisieren. Doch dieser Prozess wurde nicht fortgesetzt. Die heutige politische Landschaft benötigt nicht nur eine neue Partei; sie erfordert vielmehr eine Bewegung, die klare Ziele verfolgt und die Menschen in diesen Prozess einbindet.

Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.

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