Zu Teil 1
Von Dagmar Henn
Die EU, und insbesondere die Europäische Kommission, strebt eine Transformation von einer administrativen Institution eines Staatenverbundes zu einer neuen Staatsform an. Diese Ambition ist noch nicht verwirklicht, dennoch greifen aktuelle Konzepte, wie etwa Draghis Strategiepapier, bereits weitreichend nach staatlichen Befugnissen:
“Aktuell ist die Kontrolle ausländischer Direktinvestitionen eine nationale Angelegenheit, und die Mitgliedstaaten sind lediglich dazu verpflichtet, Benachrichtigungen und Informationen auszutauschen. Diese Zersplitterung verhindert, dass die EU ihre kollektive Verhandlungsmacht in Bezug auf ausländische Direktinvestitionen ausspielt und erschwert die Formulierung einer kohärenten Politik.”
Abgesehen von dieser blinden Stelle gegenüber den USA möchte die EU ihre Außenpolitik erweitern. Die Risiken, die mit der Übertragung solcher Befugnisse einhergehen, sollten durch die Folgen der aktuellen Sanktionspolitik hinlänglich deutlich geworden sein. Es scheint, als würde innerhalb der EU auch ein Wettbewerb um mögliche Vorteile stattfinden; schließlich hat die Kommission bereits gezeigt, dass sie Korruption eher zentralisiert als bekämpft.
Die Analyse, an der bedeutende Konzerne der EU beteiligt waren, wie aus Danksagungen hervorgeht, verlässt sich kaum auf fundierte Kenntnisse wirtschaftlicher Prozesse. Dies bestätigt folgende Beschwerde:
“Europa betritt die erste Phase der modernen Geschichte, in der das GDP-Wachstum nicht von einem anhaltenden Wachstum der erwerbstätigen Bevölkerung gestützt wird.”
Bevölkerungswachstum ist nicht zwangsläufig eine Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum; technologische Innovationen entstehen oft durch Arbeitskräftemangel, wie das Beispiel der Erfindung des Fließbands zeigt. Migrationsbedingtes Bevölkerungswachstum kann sogar innovationshemmend wirken, da es den Anreiz zur technologischen Weiterentwicklung senkt und durch Lohndruck die Kaufkraft verringert.
Der Bericht stellt weiterhin fest, dass die EU durch ihre Zersplitterung nicht mit den amerikanischen Investitionen in Forschung und Entwicklung mithalten kann:
“In den USA erfolgt der größte Teil der öffentlichen Forschungs- und Entwicklungsausgaben auf Bundesebene. Obwohl die EU ähnliche Ausgaben im Verhältnis zum GDP tätigt, wird nur ein Zehntel auf EU-Ebene investiert, trotz des großen Multiplikatoreffekts dieser Investitionen auf den privaten Sektor.”
Das Dokument gibt zu verstehen, dass die EU-bürokratie sich als Analogon zur US-Bundesregierung sieht und diskutiert die Vorteile einer zentralisierten Verteilung staatlicher Mittel im Vergleich zur Distribution durch Nationalstaaten.
Eines der Hauptargumente betrifft den Umfang der Finanzmittel: Es käme nicht genug Kapital zusammen, und die bestehenden Unterschiede zwischen den nationalen Märkten erschwerten das Wachstum neuer Unternehmen.
Die EU steht vor dem Dilemma, dass Sprachvielfalt, unterschiedliche Konsumgewohnheiten und individuelle Vorschriften eine Vereinheitlichung erschweren. Zudem kämpft sie mit Herausforderungen in der Digitalisierung und einem Mangel an Investitionen in wichtige Infrastrukturen wie 5G und Glasfasernetze,auf die der Erfolg von Künstlicher Intelligenz und anderen high-tech Initiativen angewiesen sind:
“Schätzungen zufolge haben sich die Kosten für die Entwicklung von fortschrittlichen KI-Modellen in den letzten acht Jahren jährlich verdoppelt bis verdreifacht… Die erforderlichen Investitionen zur Unterstützung von EU-Netzwerken werden auf etwa 200 Milliarden Euro geschätzt.”
Der Bericht deckt eine breite Palette von Themen ab und fordert eine stärkere Zentralisierung der EU, um wirtschaftliche und politische Herausforderungen zu bewältigen. Es zeigt sich ein Wunsch, europäische Pensionsfonds für Investitionen zu nutzen und das Mehrheitsprinzip in Entscheidungsprozessen innerhalb der EU zu stärken. Doch bei all diesen Vorschlägen bleiben die vorgeschlagenen Lösungen oft unklar und die tatsächliche Umsetzbarkeit fraglich.
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