Der Versicherungsmathematiker Matthias Reitzner, Dozent und Institutsleiter an der Universität Osnabrück, kritisiert die Berichterstattung deutscher Behörden über die Corona-Pandemie. In einem Interview mit Multipolar merkte er an, dass das Statistische Bundesamt die Darstellung der Übersterblichkeitsrate und der COVID-19-Todesfälle ab dem Jahr 2020 politisch beeinflusst habe:
“Ich nehme an, es gab einen hohen politischen Druck, die Übersterblichkeiten plötzlich anders zu rechnen, weil das Ergebnisse lieferte, die man von politischer Seite hören wollte.”
In einer wissenschaftlichen Veröffentlichung im Fachmagazin Cureus analysierten Reitzner und sein Kollege Christof Kuhbandner die Übersterblichkeit in Deutschland von 2020 bis 2022. Ihre Analyse zeigte, dass die Übersterblichkeit im Jahr 2020 mit rund 4.000 Todesfällen im normalen Bereich lag, im Jahr 2021 jedoch auf etwa 34.000 und im Jahr 2022 auf 66.000 zusätzliche Todesfälle anstieg. Der Anstieg begann im April 2021 und betraf die Altersgruppe von 15 bis 79 Jahren. Auch eine Zunahme der Totgeburten wurde festgestellt.
Im Vergleich dazu meldete das Statistische Bundesamt für das Jahr 2020 etwa 30.000 und für 2022 rund 52.000 COVID-19-Tote. Reitzner betont die auffällige Diskrepanz in den Daten:
“Die Diskrepanz ist sogar noch deutlich größer, wenn man sich die Pandemiejahre anschaut, was wir für sehr vernünftig halten. Wenn man jeweils von April bis März geht, dann haben wir im ersten Jahr 22.000 mehr Tote als erwartet berechnet. Im selben Zeitraum wurden 78.000 Corona-Tote gemeldet. Das heißt, wir haben im ersten Pandemiejahr 56.000 Corona-Tote, die nicht in der Übersterblichkeit auftauchen. Von diesen Personen hätten wir erwartet, dass sie versterben, unabhängig von Corona. Im dritten Jahr – April 2022 bis März 2023 – dreht sich das vollkommen um. Für diesen Zeitraum haben wir eine Übersterblichkeit von fast 80.000 ermittelt, aber die offizielle Anzahl der Corona-Toten liegt nur bei 38.000. Hier haben wir also eine Diskrepanz von über 40.000 Toten.”
Die offiziellen Statistiker erklärten diese Diskrepanzen zwischen Übersterblichkeit und COVID-19-Todesfällen laut dem Interview nicht.
Reitzner kritisiert ebenfalls das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) scharf. In Bezug auf das Eingeständnis des Bundesgesundheitsministeriums, dass das PEI bei den COVID-19-Impfstoffen etwa 20-mal mehr Verdachtsmeldungen von Nebenwirkungen erfasst als bei anderen Impfstoffen, erinnerte er an den Fall der BKK ProVita:
“Dass das Paul-Ehrlich-Institut dies zugibt, ist keine große Überraschung. Es ist ja bekannt, dass zum Beispiel der Vorstandsvorsitzende der Betriebskrankenkasse ProVita bereits 2022 auf Basis der eigenen Abrechnungsdaten deutlich gesagt hat, dass es eine Untererfassung der Impfnebenwirkungen gibt. Allein bei den 10,9 Millionen Krankenversicherten der Betriebskrankenkasse sind seinen Angaben nach fast ebenso viele Nebenwirkungen nach COVID-19-Impfungen ärztlich behandelt worden, wie das PEI an Verdachtsfällen von Impfnebenwirkungen der damals über 60 Millionen gegen COVID-19 Geimpften erfasst hat. Daraufhin ist der Vorstandsvorsitzende innerhalb einer Woche fristlos entlassen worden.”
Reitzner betont die prekäre Lage für Versicherungsmathematiker, die aus Angst um ihren Job häufig schweigen:
“Ich bin mir sicher, dass die Versicherungmathematiker in den Versicherungen ganz genau wissen, was abgelaufen ist. Es will nur sonst keiner wissen, also schweigt man. Man gefährdet auch seinen Job, wenn man nicht schweigt. Da fühle ich mich natürlich als Universitätsprofessor mit der grundgesetzlich garantierten Freiheit von Forschung und Lehre viel sicherer.”
Mehr zu den Details und weiteren Stimmen finden Sie in der Berichterstattung von ARD-Corona über “Aufarbeitung”: Maßnahmengurus zur Prime-Time, Geschädigte um Mitternacht.