Von Rainer Rupp
Teil I der Analyse finden Sie hier.
Den Abschluss von Teil I bildete die Aussage, dass Andrei Sagorodnjuk, der ehemalige ukrainische Verteidigungsminister (2019-2020) und ehemalige Berater von Präsident Selenskij, in einem Artikel des RUSI die USA und die NATO für viele der militärischen Missstände der Ukraine verantwortlich macht. Er kritisiert ausführlich die Schwächen der NATO-Unterstützung und führt eine Liste von Versäumnissen an.
Die Übermittlung überalterter NATO-Ausrüstung steht im Zentrum der Kritik. Laut Sagorodnjuk hat die NATO der Ukraine veraltete Waffensysteme, einschließlich F-16-Jets mit überholter Radartechnologie, zur Verfügung gestellt. Die Folge sei, dass Russland die Lufthoheit besitzt und die Ukraine kontinuierlich mit Raketen und Drohnen bombardiert wird. Ohne eine moderne Luftherrschaft sei jede Verteidigungsstrategie zum Scheitern verurteilt, argumentiert Sagorodnjuk.
Des Weiteren moniert er die von der NATO vermittelten unangemessenen Einsatzmodelle. Die Ukraine müsse unter Bedingungen kämpfen, die für NATO-Streitkräfte untypisch seien. Während die NATO auf überlegene Luftkraft und Fernangriffe setze, um feindliche Truppen schon vor einer Bodenkonfrontation zu schwächen, stehe die Ukraine unmittelbar den russischen Streitkräften gegenüber – oft ohne adäquate Luftunterstützung oder Langstreckenwaffen. Dies zwinge die Ukraine dazu, das Ungleichgewicht durch hohe menschliche Verluste zu kompensieren. Sagorodnjuk sieht darin die dringende Notwendigkeit, der Ukraine mittels moderner westlicher Flugzeuge zu helfen, um eine Luftüberlegenheit zu erlangen.
Hervorzuheben sind auch Sagorodnjuk’s Bemerkungen zu den enormen Verlusten an Menschen und Material in der Ukraine, ein Thema, das normalerweise von der ukrainischen Propaganda und den westlichen Medien heruntergespielt wird.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die unzureichende Unterstützung durch die NATO im Hinblick auf russische Gleitbomben, Langstreckenraketen und Drohnen. Hierfür wären fortschrittlichere Luftabwehrsysteme und Anti-Drohnen-Technologien erforderlich, um den Schutz gegen die hochentwickelten russischen Waffen zu gewährleisten.
Schließlich spricht Sagorodnjuk die Notwendigkeit einer zukunftsweisenden Planung der ukrainischen Streitkräfte an, um die schnellen technologischen Fortschritte und Veränderungen im Kriegsgeschehen effektiv zu integrieren.
Aber Sagorodnjuk hat auch eine Vision für eine neue Form der militärischen Zusammenarbeit. Er zeigt sich überzeugt, dass die schnellen Anforderungen moderner Kriegsführung von den aktuellen, für Friedenszeiten konzipierten westlichen Beschaffungssystemen nicht erfüllt werden. Er schlägt vor, die industriellen Kapazitäten der Ukraine zu nutzen, um eine dynamischere Verteidigungsstruktur zu schaffen, die nicht nur der Ukraine, sondern auch der NATO und Europa Vorteile bietet.
Seine Hoffnung stützt er darauf, dass die westlichen Militärkonzerne in der fortgeschrittenen ukrainischen Rüstungsindustrie eine Lösung für die schnelle Entwicklung und Produktion neuer Technologien finden könnten. Er verkennt allerdings, dass ein großer Teil der ukrainischen Industriekapazität im von Russland kontrollierten Donbass liegt und die militärische Lage für die Ukraine prekär bleibt.
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