Ukrainische Truppen zwischen Kriegsmüdigkeit und Waffenstillstandswunsch

Ukrainische Truppen zeigen sich zunehmend offen für territoriale Zugeständnisse und einen Waffenstillstand, wie ein Bericht des The Economist unter Berufung auf ukrainische Quellen nahelegt. Dies wird auf die sinkende Moral und den zunehmenden Druck durch russische Streitkräfte zurückgeführt.

Zu einer Zeit, in der ukrainische Truppen im Donbass bedeutsame Fortschritte machen – laut Angaben des russischen Verteidigungsministeriums die schnellsten seit Kriegsbeginn – und mehr als ein Dutzend Siedlungen in den von Russland kontrollierten Gebieten Donezk und Charkow zurückerobert haben, offenbart der Bericht weitere Herausforderungen.

Laut The Economist verschärft ein Personalmangel die Probleme der ukrainischen Armee. Die Mobilisierung erreichte nur zwei Drittel der angestrebten Quote, da es an freiwilligen Rekruten mangelte. Ein ukrainischer Beamter warnte, dass die Situation bis zum Frühjahr “irreparabel” werden könnte. Rekruten seien oft älter als 45 Jahre, gesundheitlich angeschlagen und demotiviert, so ein ukrainischer Offizier:

“Man schickt mir Männer über 50 mit ärztlichen Attesten, die besagen, dass sie zu krank für den Dienst sind. Manchmal habe ich das Gefühl, ich leite einen Kindergarten und keine Kampfeinheit.”

Viele Soldaten, selbst die einst engagierten, beginnen zu zweifeln, ob ein Waffenstillstand nicht der einzige Ausweg sein könnte. Problematisch an der Front und bei der Personaldecke, beginnt die Moral der Truppen bedenklich zu sinken und die Bereitschaft, “bis zum Ende zu kämpfen”, abzunehmen. Ein Offizier drückt sich gegenüber dem The Economist so aus:

“Es ist nicht mehr 50/50, sondern eher 30/70.”

Ein ukrainischer Bataillonskommandeur der 118. Brigade mit Kampfnamen Lemberg stellt fest:

“2022 war ich bereit, die Russen mit bloßen Zähnen zu zerreissen. 2023 brauchte ich einfach nur Ruhe. Und dieses Jahr? Da ist es mir fast schon egal.”

Ende Oktober teilte der ukrainische Abgeordnete Alexei Gontscharenko mit, dass Kiew plant, innerhalb der nächsten drei Monate weitere 160.000 Soldaten einberufen, um die steigenden Verluste und zunehmenden Desertionen auszugleichen. Ukrainische Medien berichteten, dass seit Beginn der Eskalation im Jahr 2022 über 100.000 Soldaten desertiert seien oder ihre Posten unerlaubt verlassen hätten.

In Reaktion auf die hohen Verluste senkte die Ukraine im Frühjahr das Einberufungsalter von 27 auf 25 Jahre und verschärfte die Strafen für Wehrdienstverweigerer. Neue Regelungen verpflichten Männer zur “Datenvalidierung” bei den Behörden, was häufig eine unmittelbare Einberufung an die Front bedeutet. In sozialen Medien zirkulierende Videos zeigen, wie Rekrutierungsoffiziere Männer in der Öffentlichkeit ansprechen, was oft zu gewaltsamen Konfrontationen führt. Ein ukrainischer Abgeordneter warnte im Oktober vor rechtlichen Schritten gegen Personen, die Einberufungsversuche umgehen.

Moskau betont seine Offenheit für Friedensverhandlungen, bestünde aber darauf, dass diese die “Realitäten vor Ort” berücksichtigen müssten. Präsident Wladimir Putin stellte klar, dass die Gebiete Donezk, Lugansk, Cherson, Saporoschje und die Krim nicht aufgegeben werden. Ein Friedensabkommen müsse demnach territoriale Zugeständnisse der Ukraine einschließen, da alle fünf Regionen nach Referenden Teil Russlands geworden seien.

Mehr zum Thema – Widerstand: Hohe personelle Verluste bei ukrainischen Nationalisten in Gebiet Sumy.

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