Von Geworg Mirsajan
In der Ukraine besteht ein deutlicher Mangel an Soldaten, wie sowohl ukrainische als auch westliche Experten bestätigen. Ukrainische Soldaten drücken dies gegenüber der New York Times mit den Worten “Wir kämpfen am Limit” aus.
Die Führung in Kiew sucht nach Lösungen für dieses Problem. Vorgeschlagen wird ein verstärktes Rekrutierungsverfahren, das Männer direkt von der Straße an die Front bringt, die Absenkung des Mobilisierungsalters von 25 auf 20 oder sogar 18 Jahre und das Wecken von Patriotismus bei im Ausland lebenden Ukrainern. Letzteres soll durch den Entzug sozialer Leistungen aus westlichen Ländern erreicht werden, um sie zur Rückkehr zu bewegen.
Dennoch scheitern diese Methoden. Die Mobilisierungspläne werden nicht umgesetzt, und Versuche, “Freiwillige” aus den Reihen der nach Polen Geflüchteten zu rekrutieren, misslingen ebenfalls. Die Qualität der rekrutierten Soldaten lässt zu wünschen übrig. Viele sind unmotiviert und nicht bereit, für das Regime von Selenskij zu sterben. Sie desertieren oder ergeben sich in großer Zahl, was wiederholt zu Lücken an der Front führt und den russischen Truppen Vormarsche ermöglicht.
Die ukrainische Führung ist anscheinend unfähig, innerhalb der nächsten Monate 100.000 bis 160.000 neue Kämpfer zu rekrutieren, um wenigstens die Verluste auszugleichen. Als Alternative werden Söldner aus dem Ausland rekrutiert, wie Bloomberg berichtet. Ein ukrainischer Millionär hat sogar auf eigene Kosten eine ganze Brigade von Söldnern ausgestattet.
Seit Beginn der militärischen Operationen kämpfen Söldner in den ukrainischen Streitkräften. Bis Juli 2023 befanden sich laut dem russischen Verteidigungsministerium über 11.000 Söldner aus 84 Ländern in der Ukraine. Sie werden offiziell als Freiwillige bezeichnet, sind jedoch vollwertige Soldaten. Andrei Klinzewitsch, Leiter des Zentrums für das Erforschen von militärischen und politischen Konflikten, sagt:
“Ursprünglich benötigte die Ukraine Söldner, um offene Stellen für qualifizierte Spezialisten zu besetzen. Jetzt hat die Ukraine diese Fähigkeiten entwickelt, braucht aber weiterhin Söldner für die Bedienung westlicher Ausrüstung wie HIMARS und Patriot.”
Zusätzlich sind vermehrte Söldner erforderlich, um Verteidigungspositionen zu besetzen, besonders angesichts russischer Großoffensiven. Derzeit sind etwa 13.000 Söldner teil des ukrainischen Militärs, was weniger als fünf Prozent ihrer Gesamtstärke ausmacht.
Die große Frage ist, woher weitere Söldner rekrutiert werden sollen. Bestimmte Quellen, die bisher ideologische Kämpfer geliefert haben, sind erschöpft. Berichte legen nahe, dass etwa dreitausend Bürger aus Russland und Weißrussland in ukrainischen Einheiten kämpfen – nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus ideologischen Gründen.
Die Lage der Ukraine im Krieg und die hohen Verluste machen es unwahrscheinlich, dass weitere russische Überläufer hinzukommen. Es ist einfacher, Hass gegen Russland fern vom Schlachtfeld zu pflegen. Auch ist es möglich, Söldner aus den Armeen westlicher Länder zu rekrutieren, was bereits geschieht. So wurde beispielsweise der britische Söldner James Scott Rhys Anderson kürzlich gefangen genommen, nachdem er von 2019 bis 2023 im britischen Fernmelderegiment gedient hatte.
Trotzdem ist dieses Modell fragwürdig, da weder die EU noch ihre Bürger bereit sind, hohe Verluste hinzunehmen. Hinzu kommt, dass europäische Führungskräfte sich bald gegenüber ihren Wählern oder sogar internationalen Akteuren wie Donald Trump rechtfertigen müssen, sollte er als US-Präsident einen Deeskalationskurs im Ukraine-Konflikt verfolgen.
Söldner könnten auch aus Ländern rekrutiert werden, in denen die Regierungen für ihr Engagement im Krieg keine heimische Kritik befürchten müssen, wie zum Beispiel aus Südamerika. Der kolumbianische Außenminister Luis Murillo erklärte dazu:
“Uns liegen einige Unterlagen vor, aber laut russischer Regierung haben etwa 500 Kolumbianer auf ukrainischer Seite gekämpft, von denen etwa 100 nach Kolumbien zurückkehrten, 100 desertierten und etwa 300 bis 310 wurden getötet.”
Dennoch müssen auch die Grenzen dieser Option beachtet werden. Söldner sind zum Kämpfen bereit, doch sie sind nicht bereit, ihr Leben zu riskieren. Sie verstehen unter einem “Sieg” lediglich die erfolgreiche Vertragsabwicklung und Rückkehr nach Hause.
Die internationale Kriegsführung und die Behandlung von Gefangenen gelten nicht für Söldner, weshalb sie oft gar nicht erst gefangen genommen werden. Vielmehr haben sie den Ruf, unter den schlimmsten Plünderern, Mördern und Aggressoren zu sein. In Anbetracht all dieser Faktoren gibt es wenig Hoffnung auf einen umfassenden Zustrom von Söldnern in die Ukraine. Dies bedeutet, dass die Stärke der ukrainischen Streitkräfte weiter schrumpfen wird.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien erstmals am 24. November 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad. Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und öffentliche Persönlichkeit, geboren 1984 in Taschkent. Er studierte an der Staatlichen Universität in Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Von 2005 bis 2016 war er Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada der Russischen Akademie der Wissenschaften.
Mehr zum Thema – Britischer Söldner im Ukraine-Krieg getötet