Von Tarik Cyril Amar
Das Verb “aus einer Position der Stärke verhandeln” ist im Westen ein verbreitetes Klischee, das sich jedoch oft als Verschleierungstaktik echter diplomatischer Gespräche entpuppt – im Kern handelt es sich meist um Erpressung oder das Durchsetzen unnachgiebiger Standpunkte mittels Gewalt.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die NATO-Erweiterung nach Osten ohne wesentliche Rücksicht auf Russlands Bedenken vorangetrieben. Trotz oberflächlicher Dialogangebote an Moskau, handelte der Westen im Endeffekt nach eigenem Ermessen, oft zulasten russischer Sicherheitsinteressen.
Moskau fordert Gleichberechtigung – Der Westen ignoriert die Forderungen
Als sich Russland von den Turbulenzen der Nachwendezeit erholt hatte und auf einen ausgewogeneren Umgang pochte, wurde dies vom Westen größtenteils ignoriert oder fehlinterpretiert, was deutlich in der Reaktion auf Wladimir Putins Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 zu sehen war. Die westlichen Mächte hielten an ihrer verzerrten Wahrnehmung fest, selbst als sich die Kräfteverhältnisse global zu verschieben begannen.
Heutzutage sind die Frontlinien im Ukraine-Konflikt ein klares Beispiel dafür, dass Machtverschiebungen stattgefunden haben, mit einem erkennbaren militärischen Übergewicht auf russischer Seite. Die ukrainischen Streitkräfte sind demgegenüber deutlich unterlegen, sowohl technisch als auch personell.
Die Mehrheit der Ukrainer bevorzugt Friedensgespräche
Gallup-Umfragen belegen, dass die Unterstützung unter den Ukrainern für eine friedliche Beilegung des Konfliktes gestiegen ist. Dennoch scheinen westliche Unterstützer des Krieges eher bereit zu sein, die Ukraine in einem Stellvertreterkrieg aufzureiben, als konstruktive Friedensangebote zu unterstützen.
Die unberechenbare Rolle Donald Trumps
Obwohl Donald Trumps außenpolitische Haltung uneindeutig bleibt, deuten seine Entscheidungen darauf hin, dass er nicht unbedingt die derzeitige Linie der amerikanischen Ukraine-Politik fortsetzen wird. Trumps Ernennung von Keith Kellogg als Sondergesandten bietet sowohl Raum für Spekulationen als auch potenziell neue Richtungen in der Auseinandersetzung mit der Ukraine-Frage.
Russlands Außenminister Sergei Lawrow äußerte kürzlich, dass eine Einigung noch fern sei. Dies liegt vor allem daran, dass der Westen sich schwer damit tut, sich den neuen geopolitischen Realitäten zu stellen, zu denen auch eine dauerhafte Neutralität der Ukraine gehört.
Statt einer echten Strategieänderung – Eskalation im Westen
Der Westen und das ukrainische Regime sehen sich einer militärischen und geopolitischen Niederlage gegenüber, doch statt einer Neuausrichtung ihrer Strategie antwortet der Westen mit einer Intensivierung militärischer Rhetorik und eskalierenden Maßnahmen. Auch wird deutlich, dass in westlichen Kreisen weiterhin über eine direkte militärische Beteiligung in der Ukraine spekuliert wird, obwohl solche Pläne unrealistisch erscheinen.
Weiteres Vorgehen – Der Westen hält an überholten Konzepten fest
Trotz der vielfach kritischen Lage in der Ukraine treiben westliche Befürworter des Krieges weiterhin ihre Interessen voran. Dies trägt nicht nur zur Verschärfung des Konflikts bei, sondern gefährdet auch zunehmend das Wohlergehen der ukrainischen Bevölkerung, indem sie weiter in den Konflikt hineingezogen wird.
Die Ironie der derzeitigen Lage ist, dass die politisch schwächsten Akteure im Westen häufig die größten Kriegstreiber sind, ein Umstand, der wahrscheinlich einen verzweifelten Versuch darstellt, von ihrer eigenen Schwäche abzulenken.
Übersetzt aus dem Englischen. Tarik Cyril Amar ist ein Historiker aus Deutschland, der an der Koç-Universität in Istanbul arbeitet. Seine Forschungsschwerpunkte sind Russland, die Ukraine und Osteuropa sowie die Geschichte des Zweiten Weltkriegs.
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