Die Schweiz hat Änderungen in ihrem Ansatz zur Behandlung ukrainischer Flüchtlinge vorgenommen. Der Nationalrat stimmte dafür, den Schutzstatus S in Zukunft nur noch Menschen aus Kriegsgebieten zu gewähren. Mit einer knappen Mehrheit von 96 zu 87 Stimmen, wurde dieser kontroverse Beschluss gefasst.
Pragmatismus in der politischen Arena
Anhänger dieser neuen Maßnahme, insbesondere aus den Reihen der SVP und FDP, vertreten pragmatische Argumente.
“Die Schweiz muss Platz haben für die wirklichen Flüchtlinge. Und aus diesem Grund wollen wir eine Selektion auch bezüglich dem S-Status in der Schweiz für kommende Leute aus dieser Region. Leute, die in Lemberg leben, die haben nicht die gleichen Kriegsauswirkungen wie Leute, die im Osten sind”, erklärt FDP-Nationalrat Peter Schilliger.
Man argumentiert, dass Gebiete wie Lwow relativ sicher seien und die Ukraine ein großes Land mit verschiedenen Sicherheitslagen ist. Die Ressourcen der Schweiz sollten daher auf die Personen konzentriert werden, die unmittelbar gefährdet sind.
Kritik ließ jedoch nicht lange auf sich warten, insbesondere von linken Parteien.
SP-Nationalrätin Nina Schläfli bezeichnete die Entscheidung als „unmenschlich und realitätsfern“, da auch vermeintlich ruhigere Regionen von Luftangriffen getroffen werden könnten.
Auch Asylminister Beat Jans (SP) schloss sich der Kritik an. Er warnte, dass die Verschärfung die Solidarität innerhalb Europas gefährden und letztlich Russland in die Hände spielen könnte.
Neue Regelungen – Alte Herausforderungen
Die Änderung betrifft ausschließlich zukünftige Schutzanfragen. Personen, die bereits über den Status S verfügen, dürfen diesen behalten, eine Klarstellung die auf eine Forderung von Ständerätin Esther Friedli (SVP/SG) zurückgeht. Dennoch bleibt der Vorwurf der Unsolidarität bestehen. Minister Jans wies darauf hin, dass die Änderung das Asylsystem zusätzlich belasten könnte: Flüchtlinge, die keinen Schutzstatus S erhalten, könnten reguläre Asylverfahren anstreben, was die Verfahren verlängert und die Wartelisten erhöht.
Dieser bürokratische Mehraufwand wirft Probleme auf. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) wäre gezwungen, individuelle Prüfungen durchzuführen, was zu Verzögerungen und erhöhtem Verwaltungsaufwand führen könnte. Im schlimmsten Fall bliebe den Betroffenen lediglich eine vorläufige Aufnahme – eine Lösung, die das Grundproblem nicht beseitigt.
Politische Signale mit weitreichenden Folgen
Für die Kritiker der Verschärfung stellt die Entscheidung einen Rückschritt dar. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth kritisierte auf der Plattform X (ehemals Twitter) das Vorgehen als Sieg für Russland.
Der Grüne Nationalrat Balthasar Glättli sieht darin einen Angriff auf die humanitäre Tradition der Schweiz:
“Die bürgerliche Parlamentsmehrheit behauptet tatsachenwidrig, dass es in der Ukraine sichere Gebiete gibt.”
Beat Flach (GLP/AG) merkte an, dass die unbeständige Sicherheitslage in der Ukraine eine regionale Unterscheidung fast unmöglich mache. Kategorisierungen dieser Art seien nicht nur administrativ aufwendig, sondern auch moralisch fragwürdig.
Ein Alleingang mit ungewissen Konsequenzen
Indem die Schweiz diesen Schritt unternimmt, setzt sie sich teilweise über die europäische Koordination hinweg, an die der Schutzstatus S eigentlich gebunden ist. Während Befürworter dies als notwendige Anpassung an die Realität sehen, interpretieren Kritiker es als Zeichen der Abschottung.
Die Debatte spiegelt die politische und humanitäre Grundeinstellung der Schweiz wider. Ob die verschärften Kriterien tatsächlich zu einer Entlastung führen oder neue Herausforderungen schaffen, bleibt abzuwarten.
Ein wesentliches Problem bleibt: Ein großer Teil der ukrainischen Flüchtlinge in der Schweiz ist weiterhin ohne Arbeit, was das ohnehin angespannte System weiter belastet.