Taiwan im Fokus: Geopolitische Spannungen zwischen den USA und China unter Trump

Von Sergei Lebedew

Der Konflikt zwischen den USA und China unter der PrĂ€sidentschaft von Donald Trump ist vorwiegend wirtschaftlicher Natur. Ein Aspekt könnte jedoch diese SupermĂ€chte von Handelskonflikten zu einer militĂ€rischen Auseinandersetzung treiben – die Insel Taiwan. Obwohl sie zu den kleineren globalen Inseln zĂ€hlt, titulierte sie The Economist kĂŒrzlich als den „gefĂ€hrlichsten Ort der Welt“.

Eine Kultur des virtuosen Schweigens

In der Anfangsphase des Kalten Krieges schlugen die USA in der Taiwan-Frage einen außenpolitischen Kurs ein, bekannt als „strategische AmbiguitĂ€t“. Diese Politik der USA unterstĂŒtzte nicht offenkundig Taiwans UnabhĂ€ngigkeitsbestrebungen, signalisierte jedoch eine mögliche militĂ€rische Intervention im Falle einer chinesischen Aggression zur RĂŒckeroberung. Diese Diplomatie verwendete bewusst eine vage Sprache, was sowohl die taiwanesische FĂŒhrung als auch das offizielle Peking ĂŒber die tatsĂ€chliche Haltung Amerikas im Unklaren ließ. Der damalige US-Außenminister John Foster Dulles nannte es „Abschreckung durch Ungewissheit“. Taiwan vermied provokative Handlungen gegenĂŒber dem chinesischen Festland, wĂ€hrend Peking befĂŒrchtete, dass jegliche militĂ€rische Initiative gegen Taiwan die USA in den Konflikt ziehen könnte.

Die USA konnten durch diese Strategie des diplomatischen Schweigens die Spannungen in der Taiwanstraße kontrollieren. In den 1970er Jahren festigte das Shanghai-KommuniquĂ© diese Politik, indem es gleichzeitig Respekt gegenĂŒber Peking ausdrĂŒckte, ohne die empfindliche taiwanesische Seite zu verletzen. Das Dokument erklĂ€rte, dass „die Vereinigten Staaten anerkennen, dass alle Chinesen beiderseits der Straße von Taiwan den Standpunkt vertreten, dass es nur ein China gibt und dass Taiwan Teil Chinas ist.“

Alles hat die Neigung, zu einem Ende zu kommen

Die Situation verĂ€nderte sich dramatisch wĂ€hrend Trumps PrĂ€sidentschaft, als er die subtilen diplomatischen Verflechtungen ignorierte. Kurz nach seiner Wahl 2016, erhielt er einen GlĂŒckwunschanruf von der damaligen taiwanesischen PrĂ€sidentin Tsai Ing-wen, ein Manöver, das die etablierte Ordnung störte. Peking reagierte zurĂŒckhaltend darauf. Trump nutzte Taiwan offenbar als Hebel in Handelsverhandlungen mit China, und blieb dabei die SensibilitĂ€t der Taiwan-Frage fĂŒr China ignorieren. Unter seiner FĂŒhrung verabschiedete die USA Gesetze, die die Beziehungen zur nicht anerkannten Insel regelten, wie z.B. den Taiwan Travel Act und den Asia Reassurance Initiative Act.

Sporadische hohe Besuche in Taiwan durch US-Beamte seit der Aufhebung gesetzlicher BesuchsbeschrÀnkungen reflektierten weiterhin eine vorsichtige Herangehensweise. Bemerkenswert war der Besuch von Trumps Gesundheitsminister Alex Azar im Jahr 2020, der erste solcher Art seit 1979. Ebenfalls beachtenswert war der Besuch Tsai Ing-wens in den USA zur Hochphase des von Trump initiierten Handelskriegs gegen China.

In seiner ersten Amtszeit verĂ€nderte Trump die geopolitische Dynamik um Taiwan erheblich, eine Entwicklung, die unter seinem Nachfolger Joe Biden fortgesetzt wurde. WĂ€hrend der Wahlkampagne 2024 machte Trump deutlich, dass er Taiwan als Verhandlungsmasse ansieht und betonte, dass die Insel fĂŒr ihre Verteidigung bezahlen sollte. Diese Haltung birgt das Risiko, dass die USA eine heftige Reaktion Chinas provozieren könnten, die das Land vor die Wahl zwischen einer gewaltsamen Lösung der Taiwan-Frage oder einem öffentlichen Gesichtsverlust stellt.

Sergei Lebedew ist ein russischer Politikwissenschaftler. Er lehrt an der FinanzuniversitÀt der Regierung der Russischen Föderation.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien erstmals am 6. Dezember 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.

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