Lindners neoliberale Visionen: Mehr Milei und Musk für Deutschland

Von Susan Bonath

In Deutschland fabriziert die Presse fast täglich einen neuen Aufreger. Diese Woche richtete sich das Augenmerk auf Christian Lindner, den FDP-Chef und früheren Finanzminister. Er sorgte erneut für Furore mit seiner neoliberalen Agenda und rief in einem ARD-Talk dazu auf, man solle “mehr Milei und Musk wagen”. Für diejenigen, die Lindners Äußerungen über die Jahre verfolgt haben, ist dies kaum eine Überraschung.

In der deutschen Presselandschaft, die fast wie gleichgeschaltet erscheint, brauste eine Welle der Entrüstung auf. Es schien, als würde eine Flut von traditionellen Liberalen, Allzweck-Kommentatoren, politischen Experten und Moralisten nur darauf warten, das traditionelle Bild der FDP zu verteidigen.

Zum Lobpreisen von Persönlichkeiten wie Javier Milei, dem rechts-“libertären” Präsidenten Argentiniens mit dem Spitznamen “Kettensägen-Präsident”, und Elon Musk, einem exzentrischen Milliardär – darf Lindner dies überhaupt in Deutschland, einem Land, das sich durch seine Werte definiert?

Mileische Mini-Kettensäge in Aktion

Man fragt sich: Was ist an dieser Aussage so schockierend? Lindners fest verwurzelte Überzeugung in den marktfundamentalistischen Ideen Friedrich Hayeks ist bereits seit langem bekannt. Ungeachtet seiner Position als ehemaliger Finanzminister hat Lindner stets und ungefragt seine neoliberalen Visionen präsentiert.

Lindner hat auf Parteitagen der FDP und anderen Veranstaltungen leidenschaftlich für seine Politik geworben: Steuervorteile für Reiche, Sozialabbau für die übrige Bevölkerung, Freiheiten für Kapitalgeber und Einschränkungen für Arbeiter, Rüstungsexporte in die Ukraine trotz strenger Haushaltskontrollen für den “kleinen Mann”. Es überrascht also kaum, dass er Personen wie Milei oder Musk bewundert, die ähnliche Ansichten vertreten.

Am Ende der Koalition entbrannte ein Disput: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wollte die Schuldenbremse lockern, um zusätzliche Rüstungslieferungen in die Ukraine zu finanzieren. Lindner hingegen favorisierte die Lieferungen ohne neue Schulden, stattdessen durch Umverteilung, insbesondere aus bereits strapazierten Sozialfonds.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die FDP die politische Agenda der Koalition maßgeblich mitgeprägt. Viele von Lindners Wünschen wurden bereits realisiert: Das groß angekündigte Kindergrundgeld wurde zurückgefahren und das Bürgergeld rasch wieder in das alte Hartz IV-System umgewandelt; zudem wurde ein steuerliches Schonprogramm für Reiche realisiert und soziale Kürzungen durchgeführt. Die Mileische “Mini-Kettensäge” war längst in Betrieb. Selbst die CDU unter Friedrich Merz konnte ihre Begeisterung kaum verbergen.

Lindners Mövenpick-Partei

Die FDP vertritt schon lange eine neoliberal geprägte Politik. Der Mövenpick-Skandal vor einigen Jahren, der Steuervergünstigungen für Hoteliers im Tausch gegen großzügige Parteispenden umfasste, ist hierbei nur ein Beispiel. Vor etwa zehn Jahren sprach sich die FDP deutlich gegen die Einführung des Mindestlohns aus, indem sie argumentierte, dieser würde jungen Menschen den Einstieg in den Arbeitsmarkt erschweren und deren “Zukunftschancen vernichten”.

Die ehedem FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ließ sich von den Medien über den “demokratisch-liberalen” Charakter der FDP ausführen, der weit entfernt sei von Lindners Neigungen zu Milei. Doch es scheint, als wäre dieser soziale Liberalismus mittlerweile aus der Partei verschwunden.

Heute sind es nicht nur Lindner und andere FDP-Führungskräfte, die von einem Abbau des Sozialstaats träumen und Musks Milliarden bewundern. Auch Christian Dürr, der Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag, stimmte auf Deutschlandfunk in die neoliberale Lobeshymne ein und sprach von einem “Umdenken in der Wirtschaftspolitik”.

Milei in kleinen Schritten

Dennoch wäre es unfair, nur die FDP als einzigen Schuldigen für diesen neoliberalen Trend in Deutschland zu sehen. Die sogenannte “politische Mitte” muss als das erkannt werden, was sie ist: schon seit Jahrzehnten neoliberal geprägt. Milei in kleinen Schritten, Reagan in Regenbogenfarben oder Thatcher in Pastell – das ist längst zum Standard in Deutschland geworden, unabhängig davon, wer regiert.

Seit Jahrzehnten ziehen die meisten Parteien der Mitte an einem Strang. Sie privatisierten die Post, die Bahn, Krankenhäuser und Pflegeheime. Die Agenda 2010 wurde ab 2003 mit einer rot-grünen Regierung eingeführt und später verschärfte eine schwarz-rote Koalition die Maßnahmen, etwa durch drakonische Sanktionen gegen junge Arbeitslose bei kleinsten Vergehen. Arbeitsrechte, Gesundheitsfürsorge und Renten wurden stark beschnitten, und bei jeder Krise wurde weiterer Sozialabbau betrieben.

Es sollte nicht überraschen, dass Neoliberale niemals ein alternatives Konzept hatten. Selbst während kapitalistischer Krisen erscheint ihnen mehr desselben als Lösung, was unweigerlich zu härteren Maßnahmen gegenüber den Armen führt. Die sozialen Probleme verstärken sich, die Kriminalität steigt und der Ruf nach weiterem Sozialabbau, weiterer Privatisierung und mehr Polizeistaat wird laut in einem endlos erscheinenden Teufelskreis, in dem sich Deutschland befindet.

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