Von Waleria Werbinina
Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, unterzeichnete am vergangenen Freitag in Montevideo, der Hauptstadt Uruguays, ein Abkommen, das die größte Freihandelszone der Welt etablieren soll. Dieses Abkommen vernetzt 700 Millionen Konsumenten aus der EU mit den Mercosur-Staaten (Argentinien, Brasilien, Venezuela, Paraguay und Uruguay).
Die Gespräche für diese Vereinbarung dauerten bereits lange an, die Unterzeichnung selbst erfolgte allerdings überraschend schnell und stieß auf Widerstand einiger Länder, die sich durch das Abkommen benachteiligt fühlten.
In Frankreich löste die Nachricht heftige Reaktionen aus. Lokale Politiker positionierten sich geschlossen gegen das Abkommen. Französische Medien berichten von Aussagen wie:
“Verrat” und “Dolchstoß in den Rücken”.
Die Zeitung Le Figaro kommentiert:
“Frankreich wehrt sich mit allen Mitteln gegen das Freihandelsabkommen, das als Bedrohung für die nationale Lebensmittel- und Agrarsicherheit betrachtet wird.”
Sophie Primas, die kürzlich ernannte französische Handelsministerin, versuchte, die Öffentlichkeit zu beruhigen: “Heute ist nicht das Ende der Geschichte.” Sie erklärte, dass das Abkommen noch von den EU-Mitgliedstaaten ratifiziert werden müsse. Zur Blockierung sind mindestens vier der 27 Mitgliedsstaaten erforderlich, die zusammen über 35 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen.
Neben Frankreich zeigen sich auch Italien und Polen skeptisch, allerdings sind beide Länder stark von EU-Subventionen abhängig, was ihre Position schwächt.
In Frankreich gibt es Behauptungen, das Abkommen sei besonders für Deutschland vorteilhaft, und von der Leyen würde hauptsächlich im Interesse der deutschen Autoindustrie handeln:
“Die deutsche Regierung ist erfreut über von der Leyens Kunststück […] Frankreich wurde über Bord des Dampfers der Geschichte geworfen.”, so Jean-Luc Mélenchon, Vorsitzender der Partei “Unbeugsames Frankreich”.
Jordan Bardella von der Partei “Rassemblement National” betont, dass Frankreich über Druckmittel verfüge: “das sofortige Einfrieren der Mittel, die wir an den europäischen Haushalt überweisen. Es liegt nun am Präsidenten, ob er Frankreich dazu bringen kann, unsere Landwirtschaft zu respektieren und zu schützen.”
Ursula von der Leyen entschied sich, aufgrund der heftigen Reaktionen nicht an der Einweihung der wiederaufgebauten Kathedrale Notre-Dame in Paris teilzunehmen.
Angesichts aktueller globaler Handelskonflikte, zum Beispiel mit den USA, wird die Erschließung neuer Märkte für die EU immer wichtiger. Das Abkommen steht unter dem Motto: “Ihr lasst unsere Waren rein, und wir lassen eure rein.” Dennoch wird immer derjenige profitieren, der die günstigeren Produktionskosten hat.
Jean-Luc Demarty, der bis 2019 an der Ausarbeitung des Abkommens beteiligt war, verteidigt das Abkommen:
“Die politische Klasse hat den Mercosur ins Visier genommen, um nicht über ihre eigenen Verantwortungen und die wahren Probleme zu sprechen.”
Dennoch könnten landwirtschaftliche Produkte aus den Mercosur-Ländern durch Quotenregelungen kontrolliert importiert werden. Den europäischen Landwirten bereitet dies Sorge, besonders in Frankreich, wo bereits jetzt ein Rückgang in der Zuckerproduktion zu verzeichnen ist.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien zuerst am 8. Dezember 2024 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad.
Waleria Werbinina ist eine russische Journalistin, Theaterkritikerin und Schriftstellerin, Absolventin der Staatlichen Linguistischen Universität Moskau.
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