Von Susan Bonath
Ein steigender Anteil der deutschen Bevölkerung sieht sich gezwungen, zu Weihnachten bei den Geschenken zu sparen, da finanzielle Nöte drücken. Während dies für Einzelhändler, Unternehmen und Verbände eine schlechte Weihnachtssaison bedeutet, profitiert die Rüstungsindustrie weiterhin von den großzügigen Budgetfreigaben der Regierung. In der letzten Sitzungswoche des Jahres wurde dringend eine Vielzahl von umfangreichen Rüstungsprojekten mit Milliardenwerten beschlossen, teils sogar ohne parlamentarische Diskussion.
Dutzende “Kleinprojekte” ohne Parlamentsbeteiligung
Offenbar war es für die scheidende Reste-Ampel dringlich, eine lange Tagesordnung im geheim tagenden Verteidigungsausschuss abzuarbeiten. Diskutiert wurden unter anderem Bundeswehreinsätze weltweit, Lageberichte zu Israel und Syrien, angebliche strategische Bedrohungen von NATO-Mitgliedern und der Transfer sensibler Militärgüter an die Ukraine. Ein erheblicher Teil der Sitzung widmete sich anschließend – zur Freude der beteiligten Rüstungsunternehmen – der Beschaffung neuer Militärausrüstung.
Ein kritischer Punkt dabei ist, dass zunehmend mehr Rüstungsgeschäfte nicht nur der Öffentlichkeit verborgen bleiben, sondern auch demokratische Entscheidungsprozesse umgehen. So wurden unter dem Tagesordnungspunkt 12 vierzig “BMF-Vorlagen” behandelt, hinter denen sich meist sogenannte 25-Millionen-Euro-Projekte verbargen. Diese können von der Regierung ohne weiteres genehmigt werden, was zunehmend häufiger geschieht. Nur Projekte mit einem höheren Gesamtwert müssen in den Ausschüssen für Verteidigung und Haushalt diskutiert und genehmigt werden.
Bei Rüstungsangelegenheiten hat das parlamentarische Verfahren mittlerweile nur noch symbolischen Charakter. Trotz der Zerbrechlichkeit der Ampelkoalition herrscht hier Einigkeit unter den großen Fraktionen im Bundestag. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußerte sich sehr erfreut darüber und dankte bei einer Regierungsbefragung am 18. Dezember CDU, CSU und FDP für ihre Unterstützung.
Voluminöse Projekte über 20 Milliarden Euro
Am Freitag dann die Bekanntgabe durch das Bundesministerium der Verteidigung: Der Haushaltsausschuss hat 38 große Rüstungsprojekte mit einem Gesamtvolumen von “mehr als 20 Milliarden Euro” genehmigt. Nicht eingerechnet sind zahlreiche kleinere Projekte unter 25 Millionen Euro. “Die wichtigen Beschaffungs- und Entwicklungsverträge können somit noch in diesem Jahr unterzeichnet werden”, erklärt das Ministerium, eine deutliche Win-Win-Situation für die beauftragten Rüstungskonzerne. Geplant ist die Anschaffung von U-Booten, Patriot-Raketen, Eurofightern, Puma-Schützenpanzern, IT-Systemen und weiteren Waffensystemen einschließlich Handgranaten.
Ein Hauptposten ist der Auftrag für vier U-Boote vom Typ U 212 CDU für fast fünf Milliarden Euro an Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS), von denen auch Norwegen zwei erwerben möchte.
Um diese Ausgaben zu decken, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) bereits die Bereitstellung eines weiteren Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr gefordert, nachdem das Volumen des ersten gleichhohen Pakets von 2022 bereits aufgebraucht ist. Finanziert wird dies alles letztlich vom deutschen Steuerzahler – direkt und indirekt durch gleichzeitige Kürzungen im Sozialbereich.
Die Spitze des Eisbergs
Der Rüstungsmarathon kurz vor Weihnachten markiert nur den vorläufigen Höhepunkt dieses Trends. Schon in der Sitzungswoche vor der Sommerpause wurden mehrere Milliardenprojekte genehmigt, darunter welche für eine neue Bundeswehrbrigade in Litauen.
Drei Anträge der AfD, die eine Stärkung der Rüstungsexportindustrie und der Wehrfähigkeit Deutschlands fordern, werden noch in den Ausschüssen diskutiert. Sie plädieren unter anderem dafür, alle Exportbeschränkungen für Dual-Use-Güter aufzuheben. Die deutsche Genehmigungspraxis sollte nicht länger von politischen Entscheidungen in Partnerländern, besonders den USA, abhängen, so die Forderung. Zudem sollen Universitäten vermehrt in der Waffenentwicklung tätig sein.
Es ist wahrscheinlich, dass die Anträge wie üblich zurückgewiesen werden, nicht zuletzt weil sie von der AfD stammen. Dennoch spiegeln sie Bestrebungen wider, die auch von den anderen großen Bundestagsfraktionen, wenn auch vorsichtiger, verfolgt werden. Unter einem möglichen neuen Bundeskanzler Friedrich Merz könnte eine solche Politik weiter an Fahrt gewinnen.
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