Von Dagmar Henn
Die Bertelsmann-Stiftung hat wieder einmal eine Studie veröffentlicht, was stets die Frage aufwirft, welche Interessen damit verbunden sein könnten. Bereits vor knapp 20 Jahren kündigte eine ihrer Studien den radikalen Umbau des deutschen Sozialsystems unter der “Agenda 2010” an. Nun geht es um das Thema Einsamkeit bei jungen Menschen, basierend auf einer Umfrage der Plattform Europinions, durchgeführt vom 15. Juni bis 1. Juli in der EU, an der 23.536 Menschen teilnahmen.
Bemerkenswert ist der Wandel in der Altersverteilung der Einsamkeit: Waren früher vorwiegend ältere Menschen betroffen, zeigt sich nun, dass Erwachsene zwischen 18 und 35 Jahren sich einsamer fühlen als die Altersgruppe von 36 bis 69. Diese Entwicklung scheint eine direkte Folge der Corona-Maßnahmen zu sein, die bis heute nachwirken.
Ein wesentliches Ergebnis der Untersuchung lautet: “Einsamkeit stieg im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie deutlich an, insbesondere bei den 18- bis 30-Jährigen. Die Raten sanken 2021 zwar insgesamt wieder, doch blieben junge Menschen die am stärksten betroffene Gruppe.”
Durch Kontaktbeschränkungen entstandener sozialer Schaden verschwindet nicht einfach mit deren Aufhebung. Eine Studie aus Nordrhein-Westfalen von 2023 ergab, dass etwa 17 Prozent der Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren stark unter Einsamkeit litten.
Die Methodik zur Erfassung von emotionaler und sozialer Einsamkeit basiert auf Zustimmung bzw. Ablehnung spezifischer Aussagen, wobei “mehr oder weniger” der stärkeren Einsamkeitskategorie zugeordnet wurde. Resultierend fühlen sich 51 Prozent der jungen Erwachsenen in Deutschland einsam, ein alarmierend hoher Wert, der ein tiefgreifendes gesellschaftliches Problem signalisiert.
Die Ergebnisse zeigen auch Unterschiede nach Bildungsabschluss: Jüngere Erwachsene mit höherem Bildungsstand fühlen sich weniger einsam, am stärksten betroffen sind diejenigen mit Haupt- oder keinem Schulabschluss. Die Studie in Deutschland zeigt paradoxerweise einen Anstieg der Einsamkeitswerte bei Personen mit Universitätsabschluss und Promotion, eine Tendenz, die sich im europäischen Durchschnitt nicht abzeichnet.
Der Zusammenhang zwischen Bildung und Einsamkeit könnte über das Einkommen und daraus resultierende soziale Möglichkeiten erklärt werden, eine Hypothese, die die Studie selbst allerdings nicht verifiziert.
Bertelsmann schlägt vor, regelmäßige Überwachungen und Maßnahmen zur Förderung sozialer und emotionaler Kompetenzen zu entwickeln. Kritiker jedoch argumentieren, dass solche Maßnahmen das Problem individualisieren und von den tieferliegenden gesellschaftlichen Ursachen ablenken.
Abschließend wird deutlich, dass Bertelsmann möglicherweise zwar Daten und Einblicke bietet, aber bei der Lösung struktureller Probleme eher nicht die richtige Anlaufstelle ist. Die Studie endet mit einem Hinweis auf eine problematische Vermarktungsstrategie: das Angebot von Dienstleistungen, die letztendlich auf Profit zielen, statt echte soziale Veränderungen zu bewirken.
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