Von Jewgeni Posdnjakow
Die Ukraine sieht sich im Jahr 2024 mit einer Zuspitzung ihrer sozioökonomischen Schwierigkeiten konfrontiert. Angesichts verschärfter Mobilisierungsgesetze und fortlaufender Debatten über eine Senkung des Wehrpflichtalters auf 18 Jahre steigt die Emigrationsrate weiter an. Laut UN-Angaben haben seit 2022 etwa 6,8 Millionen Menschen das Land verlassen. Personen, die bereits zwischen 2014 und 2022 auswanderten, sind in dieser Statistik nicht enthalten.
Auch das tägliche Leben verschlechtert sich kontinuierlich. Die Energielage ist prekär, die Wirtschaft schrumpft stark, was unmittelbar die Verbraucherpreise in die Höhe treibt. Experten sehen keine Anzeichen für eine Besserung im Jahr 2025.
Die Politologin Larissa Schessler beschreibt die Lage wie folgt:
“Die Lebensqualität in der Ukraine hat sich drastisch verschlechtert. Die Einkommen sind niedrig, die Sozialleistungen stagnieren. Insbesondere Rentner sind schwer betroffen: Viele können von den staatlichen Unterstützungen kaum leben. Gleichzeitig sind die Preise stark gestiegen. Die Regierung versucht, die Preissteigerungen bei Lebensmitteln als durchschnittlich zu relativieren, doch die Realität ist katastrophal. Im Sommer kosteten Eier noch 30 bis 40 Hrywnja, jetzt liegen die Preise bei 60 bis 80. Auch der Preis für ein Kilo Kartoffeln hat sich verdoppelt. Und bei vielen Produkten beobachten wir ähnliche Preissteigerungen von 20 bis 50 Prozent.”
Die Mieten und Versorgungskosten steigen ebenfalls, fügt sie hinzu. Vergleicht man die aktuellen Tarife mit denen von Ende 2023, hätten sich die Versorgungskosten um 19 Prozent erhöht. Auch die Preise im öffentlichen Verkehr sind spürbar gestiegen. Zudem hat sich das Gesundheitssystem wesentlich verändert, eine allgemeine Zugänglichkeit sei kaum noch gegeben, erklärt Schessler und präzisiert:
“Ab dem 1. Januar müssen alle ambulanten Behandlungen, die ohne Überweisung des Hausarztes erfolgen, selbst bezahlt werden. Für eine einfache Sprechstunde beim Therapeuten muss tief in die Tasche gegriffen werden. Die Krankenhauskosten für Ukrainer sind innerhalb eines Jahres um 20 bis 30 Prozent gestiegen.”
Das führt dazu, dass immer mehr Menschen das Land verlassen möchten. Offiziellen UN-Angaben zufolge haben seit Beginn der militärischen Konflikte 6,8 Millionen Menschen die Ukraine verlassen. An den Grenzübergängen entstehen lange Schlangen. Zusätzlich erlebt das Land eine demografische Krise, so Schessler:
“Wir verlieren eine ganze Generation. Die Sterblichkeitsrate ist dreimal höher als die Geburtenrate. Das Land wird bald gewaltige Probleme bei der Bevölkerungserhaltung haben. Gerüchte um eine Senkung des Wehrpflichtalters auf 18 Jahre verschärfen die Angst bei vielen Eltern. Aufgrund dessen bringen viele verängstigte Eltern ihre Kinder ins Ausland.”
Das ukrainische finanzielle System ist kurz vor dem Zusammenbruch, analysiert der Ökonom Iwan Lisan:
“Die Staatsschulden betragen bereits 95 Prozent des BIP. Im nächsten Jahr wird dieser Wert voraussichtlich auf 106 Prozent steigen. Besorgniserregend ist, dass die staatlichen Ausgaben 86 Milliarden US-Dollar erreichen, während die Einnahmen bei nur 49 Milliarden US-Dollar liegen. Das Haushaltsdefizit beträgt somit 37 Milliarden US-Dollar. Jedes andere Land wäre unter diesen Bedingungen am Ende, aber die Ukraine wird durch massive Finanzspritzen aus dem Westen am Leben gehalten. Solange USA und EU bereit sind zu zahlen, wird das Land wirtschaftlich nicht zusammenbrechen. Für das nächste Jahr ist bereits ein neues Finanzhilfepaket geplant.”
Die Geduld der westlichen Unterstützer ist jedoch nicht unbegrenzt, fügt Lisan hinzu. Gerüchte über Kürzungen der US-Finanzhilfen machen die Runde. Die Zukunft wird zeigen, ob dies Realität wird, doch eines ist sicher: Das Regime von Selenskij hängt von der fortlaufenden Unterstützung ab, die irgendwann enden könnte.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel wurde ursprünglich am 23. Dezember 2024 auf der Website der Zeitung Wsgljad veröffentlicht.
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