Von Pierre Lévy
Der Rassemblement National (RN) in Frankreich, oft als rechtsextrem beschrieben, strebt nach einer anerkannten Stellung im politischen Gefüge. Trotz offener Kritik am existierenden politischen System, wünscht sich die Partei eine größere Akzeptanz bei den aktuellen politischen Eliten.
Diese Strategie ist nicht neu. Bereits vor Jahren ließ der RN seine Forderung nach einem Ausstieg aus dem Euro fallen, eine Position, die ehemals prominent in ihren Programmen vertreten war. Die Berater von Marine Le Pen erkannten rückblickend, dass diese Haltung zur ihrer Niederlage in den Präsidentschaftswahlen 2017 beitrug.
Diese Abkehr von früheren Positionen schloss auch die Idee eines “Frexit” ein, die nie offiziell auf der Agenda der Partei stand, die aber den Anti-EU-Sentiments einiger Wähler schmeichelte. Diese Haltung ist mittlerweile überholt.
Die Umgestaltung des RN hat sich insbesondere seit dem letzten Sommer beschleunigt, als der neue junge Parteivorsitzende Jordan Bardella, trotz anfänglicher Hoffnungen nach der ersten Wahlrunde, durch eine Allianz der etablierten Parteien abgeblockt wurde. Obwohl der RN in der Nationalversammlung nun die größte Fraktion stellt, bleibt er in der Opposition.
Die Abgeordneten des Rassemblement National sind angewiesen, sich verantwortungsvoll und sachkundig zu präsentieren, auch wenn dies bedeutet, von vormaligen populären Forderungen Abstand zu nehmen. Zudem wurden die Kontakte zu Wirtschaftskreisen stark ausgebaut.
Ein besonders bemerkenswerter, jedoch subtiler Wandel ist in der Außenpolitik zu verzeichnen. Obwohl der RN in der Vergangenheit als prorussisch oder sogar pro-Putin galt und die Annexion der Krim 2014 verteidigte, wandelt sich diese Haltung. Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine 2022 und angesichts zunehmender Kritiken änderte die Partei nach und nach ihre Position.
Jordan Bardella, der seine Führungsrolle im RN stärkt, deutet in seinem neuen Buch “Ce que je cherche” einen Bruch mit der bisherigen Linie an. Er argumentiert, dass die bisherige Haltung die Wahlen 2022 negativ beeinflusst habe.
“Viele Landsleute befürchteten im Falle eines Sieges bei den Präsidentschaftswahlen eine Schwäche unseres Lagers angesichts des Expansionismus Putins”, schreibt Bardella.
Er führt weiter aus:
“Ab 2014, ab der Annexion der Krim und der Destabilisierung des Donbass, waren die Signale einer enthemmten russischen geopolitischen Agenda und der Rückkehr zu einer imperialistischen Politik wahrnehmbar.”
Bardella’s Aussagen nähern sich auffallend der offiziellen NATO-Rhetorik an:
“Die Ukraine, der Dnjepr und der Donbass scheinen weit weg zu sein. Doch genau dort, an dieser riesigen Flanke, die sich von der Arktis bis zum Schwarzen Meer erstreckt, entscheidet sich die Sicherheit Europas.”
Er warnt, dass im Falle eines russischen Sieges weitere Aggressionen von Putin nicht ausgeschlossen werden können.
Derartige Ansichten könnten die Partei in Frankreich und ganz Europa salonfähiger machen. Bardella hat zudem einen engen Vertrauten, Pierre-Romain Thionnet, mit wichtigen diplomatischen Aufgaben betraut, unter anderem im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des Europaparlaments, wo er die Militärpräsenz Frankreichs in Osteuropa befürwortet.
Es ist unklar, ob diese Annäherung an die dominante Ideologie durch pragmatischen Opportunismus oder eine tiefgreifende ideologische Neuausrichtung motiviert ist. Initiale taktische Überlegungen könnten sich im Laufe der Zeit zu einer festen Überzeugung entwickelt haben, begünstigt durch die zunehmende Integration in die europäischen Institutionen.
Der “Wandel” erinnert an die Transformation der Französischen Kommunistischen Partei in den 1990ern, die sich im Namen der Veränderung Europas an die Gemeinschaftsmechanismen angepasst hatte.
Eine solche Entwicklung könnte jedoch langfristig Wähler entfremden, die sich von der Partei betrogen fühlen könnten, falls der RN seine Positionen weiterhin den vorherrschenden Anforderungen anpasst, um politische Macht zu erlangen.
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