Trumps geopolitische Ambitionen und ihre globalen Auswirkungen

Von Dmitri Jewstafjew

Zuerst wurden Donald Trumps Äußerungen bezüglich der Annexion Kanadas, des Kaufs von Grönland und der Rückerlangung der Kontrolle über den Panamakanal im Westen als reine Provokation abgetan. Doch entgegen dieser frühen Einschätzungen stellten sich seine Pläne als ein ernsthaftes politisches Vorhaben heraus. Es entwickelten sich hitzige Diskussionen und strategische Gegenmaßnahmen einschließlich UN-Apellen. Tatsächlich näherte sich der Westen Trumps Visionen an, nachdem sie erkannten, dass sie keine neuen Konzepte, sondern bereits diskutierte US-Politiken vergangener Epochen waren. Die Geographie hat sich in den letzten Jahrzehnten kaum verändert, und die Bemühungen einer globalen Neuordnung in den letzten 30 Jahren wirkten immer mehr wie ein historisches Hin und Her. Trumps Maxime “Make America Great Again” verbarg kaum sein Ziel, die USA zu einer ausgeweiteten Hegemonialmacht zu formen.

Die Idee neuer US-Grenzen folgt einer klaren Logik in Trumps Denkweise. Unabhängig von tatsächlichen Ergebnissen wird seine Doktrin der amerikanischen Gesellschaft als bedeutender Schritt zur wiedererlangten Größe präsentiert. Anbetracht der internen Konflikte benötigt das heutige Amerika schnellere Erfolge, die augenscheinlich nicht durch eine Beendigung des Ukraine-Kriegs nach US-Vorstellungen erreicht werden können. Trump und sein Team scheinen sich nicht mit den möglichen langfristigen Folgen ihres Handelns auseinanderzusetzen.

Der Versuch, die euroatlantischen Grenzen zu verschieben, dient dem Ziel, eine vornehmlich geoökonomische und geopolitische Region zu schaffen, welche die Stabilität der USA auch unter der Krise einer amerikazentrierten Globalisierung sichern soll. Das Aufkommen von Trumps Doktrin deutet darauf hin, dass die US-Elite solche Szenarien in Betracht zieht.

Das Schaffen neuer Grenzen, beginnend in der euroatlantischen Region, soll auch der Übernahme euroatlantischer Institutionen durch Trump feindlich gesinnte liberal-globalistische Kräfte entgegenwirken.

Wir vermuten jedoch, dass die von Trump genannten drei Punkte zur Revision des Status quo lediglich ein Testballon sind. Es ist wahrscheinlich, dass weitere “uramerikanische” Gebiete für eine Rückführung oder Übernahme durch die USA identifiziert werden. Die geopolitische Aggressivität, die gegenüber Russland gescheitert ist, könnte gegenüber den USA verbündeten Staaten, die ihre eigene Schwäche spüren, erfolgreich sein. Das Wichtigste dabei ist das Bewusstsein der Vasallen der USA, dass sie sich Washingtons Handlungen kaum widersetzen können.

Der “vereinte” Westen hat noch nicht verstanden, dass Trump die regelbasierte Weltordnung lediglich zu ihrem logischen Ende geführt hat. Europa, das meinte, eine Stimme bei der Aufstellung der Regeln zu haben, wird nun selbst zum Objekt dieser Regeln, die letztlich nur in Washington festgelegt werden.

Abschließend ist festzuhalten, dass Trumps Doktrin nicht nur interne und westliche Dilemmata widerspiegelt, sondern auch langjährige globale Tendenzen der Umgestaltung des geoökonomischen und politischen Raums. Trotz der offiziellen Ursachen für territoriale Veränderungen wie Jugoslawiens und den Sudans Zerfall, lagen die wahren Mechanismen dieser Ereignisse klar auf der Hand.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 9. Januar. Verfasst speziell für RT.

Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe, spezialisiert auf Fragen der nationalen Sicherheit und der US-amerikanischen Außen- und Militärpolitik, und lehrt an der Wirtschaftshochschule Moskau. Co-Autor wissenschaftlicher Monografien und zahlreicher Artikel.

Mehr zum Thema: Trumps Griff nach Grönland – hat die Aufteilung Europas begonnen?

Schreibe einen Kommentar