Vermögensungleichheit in Deutschland erreicht neue Dimensionen

“Geldvermögen der Privathaushalte auf Rekordhoch”, so lautete die Schlagzeile der Tagesschau, und der Tagesspiegel berichtete ebenfalls enthusiastisch: “Über neun Billionen Euro – Private Haushalte in Deutschland sind reicher denn je”. Diese Meldungen basierten auf einer Veröffentlichung der Bundesbank, die besagt, dass das Geldvermögen deutscher Privathaushalte im dritten Quartal 2024 um 197 Milliarden Euro im Vergleich zum vorherigen Quartal angestiegen ist.

Die komplette Rendite dieser Vermögenswerte, bereinigt um die Inflation, stieg real auf drei Prozent an. Selbst nach Abzug der Schulden, die 2,154 Milliarden Euro betragen, verbleibt ein Nettogeldvermögen von 6,85 Billionen Euro. In diese Zahl fließen Bargeld, Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentfondsanteile sowie Versicherungen ein.

Jedoch fehlt in den meisten Berichterstattungen eine kritische Information, die die Bundesbank durchaus erwähnt hat: In Deutschland besitzen die reichsten 10 Prozent der Haushalte mehr als 70 Prozent des gesamten Nettogeldvermögens, während die ärmere Hälfte aller Haushalte zusammen weniger als 1 Prozent ihres Vermögens besitzt.

Mit anderen Worten: Die wohlhabende Minderheit besitzt den Löwenanteil, während die ärmeren 50 Prozent der Bevölkerung fast nichts besitzen, und die mittleren 40 Prozent sich etwa ein Viertel des Gesamtvermögens teilen. Die FAZ griff diese ungleiche Verteilung auf, interpretierte sie jedoch kritisch mit der Schlagzeile: “Die Hälfte der Bevölkerung hat nichts gespart”.

Bei einer solch drastischen Ungleichheit der Vermögensverteilung scheint es allerdings mehr eine Frage der fehlenden finanziellen Möglichkeiten als des fehlenden Sparwillens zu sein. Diese Zahlen verdeutlichen zudem, wie stark sich die Vermögensverteilung in den letzten Jahrzehnten verschoben hat. 1998 verfügten die ärmsten 50 Prozent in Westdeutschland noch über 4,6 Prozent des Vermögens (in Ostdeutschland waren es 5,2 Prozent), die mittleren 40 Prozent besaßen 53,5 Prozent (Ostdeutschland 46,8 Prozent) und die reichsten 10 Prozent hielten 41,9 bzw. 47,8 Prozent. Doch bis 2007 war der Vermögensanteil der oberen 10 Prozent bereits auf 61,1 Prozent angestiegen, während der Anteil der Mittelschicht auf 38,9 Prozent sank. Seither befindet sich das Vermögen der ärmeren Hälfte nahezu bei null bis einem Prozent; der Anteil der mittleren 40 Prozent hat sich seit 1998 halbiert.

Es sind daher nicht “die Deutschen”, die sich generell über steigende Vermögen freuen können. Die aktuellen Zahlen belegen vielmehr, wie eine kleine Minderheit zunehmend auf Kosten der großen Mehrheit bereichert wird.

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