Militarisierung der Medizin in Deutschland: Risiken und Auswirkungen

In einem Gespräch mit Telepolis äußerte sich Bernhard Winter, ein Vorstandsmitglied des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte, besorgt über aktuelle Tendenzen zur Militarisierung der Medizin. Er erinnerte daran, dass solche Bestrebungen bereits in den 1980er Jahren durch den Widerstand der Friedensbewegung gescheitert sind.

“In der Medizin steht immer die Frage im Mittelpunkt: Was ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt das Beste für den Patienten?”, erklärt Winter. “Die Kriegsmedizin verfolgt jedoch andere Ziele. Ihr Hauptzweck ist es, verwundete Soldaten schnellstmöglich wieder einsatzfähig zu machen und sie an die Front zurückzuschicken.”

Im Hinblick auf Deutschland, das als zentrale Drehscheibe in den Planungen gilt, müssten Verwundete zunehmend nach Deutschland transportiert werden. Die Bundeswehr verfüge derzeit über 1.850 Betten in eigenen Krankenhäusern und weitere 2.000 in Krankenhäusern der Berufsgenossenschaften. Sogar wenn zusätzlich 2.000 Betten in Universitätskliniken hinzugezogen würden, blieben laut NATO-Planung, die von 1.000 Verwundeten pro Tag ausgeht, immer noch 4.000 Betten erforderlich, die auf reguläre Krankenhäuser verteilt werden müssten.

Zu Beginn des Monats hatte Michael Giss, Kommandeur des Landeskommandos Hamburg, angedeutet, dass die Bevölkerung darauf eingestellt werden solle, dass im Kriegsfall schwer verwundete Soldaten in den Krankenhäusern Vorrang vor zivilen Patienten wie etwa Blinddarm-Operierten hätten.

“Gesundheitsminister Lauterbach hatte eigentlich ein neues Gesundheitssicherstellungsgesetz angekündigt, das Regeln für den militärischen Konflikt vorsah.”, erinnert sich Winter. Jedoch habe das Ende der Ampelkoalition dies bisher verhindert.

“Die Trennlinie zwischen dem zivilen Gesundheitswesen und dem Militär wird zunehmend unscharf”, kritisiert Winter weiter. Er gibt das Beispiel des Roten Kreuzes, das bereits 2008 im Kriegsfall der Bundeswehr unterstellt worden sei. Ähnliche Bestrebungen seien aus finanziellen Gründen auch von den Führungsebenen der Malteser und der Johanniter zu beobachten.

Das grundlegendere Problem sei jedoch ein anderes. “Warum sollten Kämpfe an der sogenannten Ostflanke ausschließlich mit Panzern geführt werden?”, fragt Winter. Er erinnert daran, dass in den 1980er Jahren die Bedrohung durch einen Atomkrieg ein zentrales Argument gegen solche Militarisierungen war.

“Unser damaliges Motto 'Wir werden euch nicht helfen können!' war sehr effektiv, um der Bevölkerung die Unmöglichkeit eines wirksamen Schutzes im Falle eines Atomkriegs klarzumachen.”

Durch aktuelle Bestrebungen, das Gesundheitswesen für militärische Zwecke anzupassen, wird die wichtige Unterscheidung zwischen zivilen und militärischen Einrichtungen zunehmend aufgelöst.

“Derzeit gelingt es der Regierung und dem Militär diese kritische Fragestellung aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen.”

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