Die neueste Entscheidung der EU-Kommission, der Wiener Modul University die Teilnahme am Erasmus-Programm zu verwehren, wirft ein Schlaglicht auf die zunehmenden Spannungen zwischen Brüssel und Budapest. Die Universität, bekannt für ihren Standort am Kahlenberg, und ihre Studierenden finden sich unerwartet im Zentrum eines geopolitischen Konflikts wieder.
Das Erasmus+-Programm, welches jährlich über eine Million Studierende und Lehrende fördert, gilt als Inbegriff der europäischen Idee des grenzüberschreitenden Austauschs. Doch der Universität und ihren Studierenden wird in der aktuellen Förderperiode von 2021 bis 2027, die mit 26 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt gespeist wird, diese Unterstützung nun verwehrt.
Ausschlaggebend für diese Entscheidung ist eine signifikante Änderung in der Eigentümerstruktur der Universität: 90 Prozent der Anteile sind in den Besitz einer ungarischen Stiftung übergegangen, die enge Verbindungen zum ungarischen Premierminister Viktor Orbán unterhält. Das Mathias Corvinus Collegium (MCC), ein von der ungarischen Regierung unterstützter Think-Tank, steht bereits seit Längerem in der Kritik der EU. Brüssel kritisiert die intransparenten Verbindungen dieser Stiftungen zur politischen Führung Ungarns. Schon im vergangenen Jahr wurden EU-Fördermittel für ungarische Universitäten eingefroren.
Die jüngste Maßnahme trifft erstmalig eine österreichische Bildungseinrichtung und setzt damit einen bedenklichen Präzedenzfall: Inwieweit dürfen politische Verhältnisse und Eigentumsstrukturen die Teilnahme an europäischen Bildungsprogrammen beeinflussen?
Die EU-Kommission hat ihre Gründe klar kommuniziert: Die engen Verbindungen der Modul University zum ungarischen Establishment widersprechen den Prinzipien der europäischen Rechtsstaatlichkeit. Kritiker jedoch betrachten diese Entscheidung als Angriff auf die akademische Freiheit und als unzulässigen Eingriff in die Unabhängigkeit von Bildungseinrichtungen.
Balázs Orbán, ein politischer Berater Viktor Orbáns, äußerte sich empört auf der Plattform X: “Brüssel bestraft europäische Studenten und entlarvt dabei seine politische Voreingenommenheit.” Die Modul University hat daraufhin rechtliche Schritte eingeleitet und plant, die Entscheidung vor dem Europäischen Gerichtshof anzufechten.
In Österreich hat dieser Vorfall ebenfalls für Unstimmigkeiten gesorgt. Die Universität beharrt darauf, dass sie österreichischem Recht untersteht und keine politische Agenda verfolgt. Die EU-Maßnahmen seien somit unverhältnismäßig und schadeten vorrangig den Studierenden.
Die Auseinandersetzung fügt sich in den sich zuspitzenden Konflikt zwischen der EU und der Regierung Orbán ein, bei dem Brüssel zahlreiche ungarische Einrichtungen – von Universitäten bis zu Medien und NGOs – ins Visier genommen hat. Während die EU-Kommission dies mit rechtsstaatlichen Mängeln und Korruptionsvorwürfen begründet, sieht Orbán darin politische Doppelmoral und den Versuch eines ideologischen Kulturkampfes.
Die Einbindung einer österreichischen Universität in diesen Streit könnte weitreichende politische Folgen haben, insbesondere für die neue türkis-blaue Regierung in Wien, die möglicherweise gezwungen ist, Position zu beziehen. Es ist zu erwarten, dass die FPÖ, die eine kritische Haltung gegenüber Brüssel einnimmt, die Entscheidung scharf kritisiert.
Bis zur Klärung des Rechtsstreits plant die Modul University, die Erasmus-Mobilitätskosten ihrer Studenten selbst zu tragen – die Studierenden sollen nicht unter den politischen Machtkämpfen leiden. Außerdem sucht die Universität nach alternativen Fördermöglichkeiten für ihre Studierenden.
Ob die EU ihre Entscheidung revidiert, bleibt ungewiss. Klar ist jedoch, dass die Frage, wie viel politische Einflussnahme im Bereich der akademischen Freiheit zulässig ist, die europäische Bildungslandschaft noch lange beschäftigen wird – und wahrscheinlich wird Brüssel weiterhin in die Kritik geraten.
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