Von Rüdiger Rauls
Neue Hoffnungen und enttäuschte Erwartungen
Die Wiederwahl von Donald Trump kann teilweise als Reaktion auf die Aktivitäten einer woken Intelligenzija in Medien, Kultur und innerhalb der politischen Landschaft verstanden werden, deren Präsenz besonders auf den unteren Ebenen der Karriereleitern spürbar ist. Ihnen, in den USA und auch im weiteren politischen Westen, scheint nun ein kalter Schrecken über den Rücken zu laufen. Die Besorgnis wächst, dass ihre moralisch geprägte Dominanz bedroht sein könnte. Auffällig ist, dass sogar jene Milliardäre der Tech-Branche, die Trumps erste Wahlkampagne noch bekämpften, ihre finanzielle Unterstützung für seine erneute Kandidatur ausgeweitet haben.
Parallel dazu haben zahlreiche Banken, Investmentfirmen und weitere amerikanische Unternehmen ihre woke Programme gestrichen und fokussieren sich erneut auf das Kerngeschäft: die Profitmaximierung, zu der sie gesetzlich verpflichtet sind. Trumps Wahl hängt weniger mit einem Überzeugen durch seine Pläne zusammen, als vielmehr mit einer allgemeinen Erschöpfung der Bevölkerung gegenüber den bevormundenden woken Missionaren. Die Menschen ersehnen einen Neustart mit einer Politik, die klear ihre Interessen verteidigt und weniger schwammige Werte in den Vordergrund stellt.
Trump spielt auf die populären Themen an: Senkung der Inflation, strenge Migrationspolitik, und das Versprechen, Amerika wieder “großartig” zu machen, was inkludiert, Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen. Er signalisiert steuerliche Entlastungen für alle – von Kellnern bis zu Rentnern – und spricht damit direkt die breite Masse an. Die Steuerlast für Unternehmen soll sinken und die Gelder im Land bleiben, weg von internationalen Organisationen und ausländischen Einsätzen, wie der Ukraine.
Die USA erleben einen euphorischen Nationalismus, den Trump mit der Behauptung krönt: “Der Niedergang Amerikas ist vorbei.” Auch wenn diese Euphorie anhält, die harten Realitäten von Schulden und Defiziten bleiben unangetastet in seiner Kampagne. Die unbequemen Wahrheiten über die finanziellen Herausforderungen der Nation, die zu thematisieren er vermeidet, könnten seine Popularität gefährden.
Fehler der Besonnenheit
Auch in seiner ersten Amtszeit musste sich Trump schnell den Realitäten beugen. Länder wie Nordkorea, die er bedrohte, und Weltführer wie Putin und Xi ließen sich von seinen Drohungen nicht einschüchtern. Nach seiner Amtszeit hat sich gezeigt, dass die Verschuldung Amerikas weiter zugenommen hat. Trumps protektionistische Maßnahmen, wie Zölle und Handelsdrohungen, mögen kurzfristig gewirkt haben, dennoch sind Staaten wie China und auch traditionelle Verbündete wie Kanada mittlerweile resilienter gegenüber diesen Einschüchterungen.
Kanada und Mexiko haben ihre eigenen Strategien entwickelt, um auf Trumps Politik zu reagieren. Dies zeigt, dass die Welt sich auf eine erneute Amtszeit Trumps besser vorbereitet hat und seine Aussagen nun ernst nimmt.
Die EU hingegen tut sich schwer, eine einheitliche Haltung gegenüber Trumps Politik zu finden, geprägt von divergierenden nationalen Interessen. Mit Kompromissen wie dem Ankauf von amerikanischem Flüssiggas versucht man, Trump entgegenzukommen, ohne jedoch zu großer Auseinandersetzung zu provozieren.
Die Grenzen der Macht
Trotz seiner Position als einer der mächtigsten Männer der Welt, kann auch Donald Trump die Grundprinzipien der kapitalistischen Wirtschaft nicht außer Kraft setzen. Er kann Zölle erheben und Sanktionen verhängen, doch die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Politik, wie steigende Preise und Inflation, kann er nicht ignorieren. Die strukturellen Probleme, wie die immense nationale Verschuldung, bleiben bestehen und bergen langfristige Risiken für die Wirtschaft und den Staatshaushalt der USA.
Auch wenn Trump bestimmte Maßnahmen ergreifen kann, wird er letzlich nicht die grundsätzlichen ökonomischen Herausforderungen der USA überwinden können. Das macht deutlich, dass selbst der amerikanische Präsident in einem global vernetzten Wirtschaftssystem nur begrenzte Handlungsfähigkeit besitzt.
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
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