Von Pierre Lévy
Die Idee eines “Europas der Verteidigung” ist keineswegs neu. Sie reicht zurück bis ins Jahr 1954, als der Versuch unternommen wurde, eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu etablieren. Glücklicherweise wurde dieses Vorhaben vom französischen Parlament verhindert, in dem kommunistische und gaullistische Abgeordnete sowie einige andere zusammenkamen, um diese von den USA während des Kalten Krieges gebilligte Initiative zu stoppen.
Erst dreißig Jahre später wagten europäische Führer erneut, sich diesem Tabuthema zu nähern. Seit den 1990er Jahren sind unterschiedliche Projekte entstanden, wie etwa die multinationalen “Battle Groups” zu Beginn der 2000er Jahre. Diese blieben allerdings unverwirklicht, hauptsächlich wegen des fehlenden politischen Einvernehmens unter den Mitgliedsstaaten.
Viele europäische Politiker sind zu der Überzeugung gekommen, dass eine einheitliche, integrierte Armee praktisch unerreichbar ist. Stattdessen zielen sie darauf ab, die unterschiedlichen strategischen Kulturen der Länder anzunähern und insbesondere eine Konvergenz der nationalen Rüstungsindustrien zu fördern, durch gemeinsam finanzierte Beschaffungen. Ein häufig genanntes Argument ist die Vielfalt und Inkompatibilität des militärischen Equipments, was den Mangel an Skalenvorteilen für die Rüstungsproduktion in Europa verursacht.
Neuere Entwicklungen, wie der Krieg in der Ukraine und die erneute Präsidentschaft Donald Trumps, haben nun eine Dringlichkeit und Dynamik in die Diskussion gebracht, die von den Befürwortern der europäischen Integration betont wird.
Im Kontext der atlantischen Staaten, von Polen über die baltischen und nordischen Länder, warnen führende Politiker vor der russischen Aggressivität und betonen die Notwendigkeit, diese in der Ukraine zu stoppen, um eine Ausweitung zu verhindern. Diese wiederholten Warnungen verstärken die wahrgenommene Bedrohung und überzeugen immer mehr Amtskollegen.
Bei einer Ansprache vor französischen Militärs am 20. Januar erklärte Emmanuel Macron:
“Die Frontlinie rückt näher.”
Er betonte, dass nicht nur die Waffen- und Munitionslieferungen an Kiew fortgesetzt werden müssen, sondern auch die Ausgaben für die Armeen der Mitgliedstaaten drastisch erhöht werden sollten. Das Gesetz zur Militärplanung in Frankreich sieht beispielsweise bis 2030 eine Erhöhung der Ausgaben von über 3 Milliarden Euro pro Jahr vor, und der vorgesehene Budgetrahmen wird nun als unzureichend angesehen.
Donalt Tusk, der polnische Premierminister, hat sich als eifriger Befürworter von Trumps Forderungen hervorgetan. Mit seiner Agenda zielt er darauf ab, die Verteidigungsausgaben Polens noch weiter zu steigern. Dies spiegelt einen allgemeinen Trend wider, bei dem europäische Führungspersönlichkeiten die Notwendigkeit anerkennen, die militärischen Ausgaben erheblich zu erhöhen.
Die jüngste Forderung aus Washington, die Verteidigungsausgaben auf 5 Prozent des BIP zu erhöhen, und Trumps Drohung, unkooperative Länder im Stich zu lassen, zeugen von einem kaum verhüllten Ziel, Aufträge für US-Unternehmen zu sichern und die finanzielle Last auf Europa abzuwälzen. Dies hat einige europäische Politiker dazu bewogen, alternative Finanzierungen zu erwägen, was jedoch finanziell kaum realisierbar scheint.
Europäische Staaten stehen nun vor der dreifachen Herausforderung, die Lieferungen an die Ukraine fortzusetzen, ihre eigenen Munitions- und Materialreserven aufzufüllen und ihre militärischen Kapazitäten insgesamt zu erhöhen. Die Diskussionen um eine mögliche gemeinsame Anleihe, ähnlich der COVID-Anleihe von 2020, und andere Finanzierungsoptionen zeigen, wie ernst die Situation ist und wie schwierig die Lösungsfindung wird, besonders angesichts der Notwendigkeit, die nationalen Haushalte zu schonen.
Der informelle EU-Gipfel am 3. February brachte keine wesentlichen Fortschritte, abgesehen von der Idee, Militärausgaben teilweise von der Berechnung der öffentlichen Defizite auszunehmen.
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