Von Bernhard Loyen
Ein Beitrag des NDR-Reportageformats “Strg_F” unter dem Titel „Pädokriminelle Foren im Darknet: Jetzt löschen wir richtig“ zeigt, wie deutlich die Diskrepanz zwischen den vollmundigen Versprechungen der Politik und der ernüchternden Realität des anhaltenden Versagens ist. Dies könnte für manche Zuschauer sicherlich verstörend wirken.
Auch die ARD-Tagesschau griff das Thema auf, da es in der beeindruckenden Arbeit des Mini-Teams von “Strg_F” Überschneidungen mit Recherchen des ARD-Politikmagazins “Panorama” gab. Die Tagesschau berichtete am 6. Februar:
“Deutsche Ermittler verzichten weiterhin darauf, Fotos und Videos von Kindesmissbrauch systematisch zu löschen, selbst wenn dies technisch möglich wäre. Dies belegen aktuelle Daten und ein vertraulicher Bericht der Innenminister nach Recherchen von Panorama.”
Zu Beginn des “Strg_F”-Beitrags wird eine Aussage der SPD-Innenministerin Nancy Faeser aus dem Jahr 2022 zitiert. Sie äußerte sich in der ZDF-Sendung “Markus Lanz” als scheinbar empathische, dabei “besorgte” Politikerin zum Thema “Gefahren der Pädokriminalität”. Hierbei geht es um Millionenfach vorhandene Daten von psychischer und physischer Gewalt, beginnend im Babyalter bis hin zu Jugendlichen, die aus der dunklen Welt des physischen und digitalen Kindesmissbrauchs stammen.
Ein weiterer Artikel der Tagesschau erläutert den Skandal genauer:
“Nachdem 2021 durch Recherchen von STRG_F, Panorama und dem Spiegel bekannt wurde, dass auch das Bundeskriminalamt (BKA) bei Ermittlungen in Darknet-Foren illegale Inhalte massenhaft im Netz beließ, versicherte Faeser wiederholt, dass die Löschverfahren beim BKA umgestellt worden seien.”
Kritik äußerte auch ein Journalist der Webseite Netzpolitik.org im März 2022:
“Trotz Rekordzahlen bei Ermittlungen gegen Kindesmissbrauch im Internet führen diese nicht dazu, dass diese Materialien auch konsequent gelöscht werden. Die Bundesregierung erklärt nun, dass das Bundeskriminalamt gar nicht für Löschmeldungen zuständig sei.”
In einem Beitrag der Tagesschau vom Dezember 2021 heißt es weiter:
“Zahlreiche Fotos und Videos, die schweren sexuellen Missbrauch von Kindern zeigen, bleiben oft jahrelang im Netz, obwohl Ermittlungsbehörden sie löschen könnten.”
Nachdem das Bundeskriminalamt (BKA) trotz Kenntnis tausende Links zu Material von Kindesmissbrauchsdarstellungen nicht an die jeweiligen Provider meldete, standen die Inhalte weiterhin zur Verfügung. Das BKA begründete dies für den Zeitraum 2021 bis 2022 mit “fehlendem Personal”. Dazu erklärte Faeser in der Sendung “Markus Lanz” am 8. Juni 2022:
“Mittlerweile weiß man, wie wichtig es ist, die Bilder zu löschen. Das BKA hat das Verfahren jetzt umgestellt, also beides zu tun, schnelle Beweissicherung, aber gleichzeitig die Bilder zu löschen, weil das so wichtig ist für die Betroffenen.”
Im September 2024 gab das zuständige Bundesinnenministerium erneut großspurige Versprechen ab, diesmal auf einer Pressekonferenz zum Erfolg bei der Zerschlagung eines Darknet-Forums mit dem Namen “Alice in Wonderland”. Die Bild-Zeitung titelte hierzu:
“Pädophile missbrauchten sogar zweijährige Mädchen […] Polizei und Justiz gaben bekannt, dass ein bundesweites Pädophilen-Netzwerk im Darknet mit tausenden Dateien abgeschaltet wurde, das seit 2019 aktiv war. Allein die sichergestellten DVDs und Videokassetten füllten 94 Umzugskartons.”
Der Focus berichtet weiter zur Pressekonferenz:
“Bei einer Pressekonferenz am Dienstagvormittag im Duisburger Polizeipräsidium sprach Landesinnenminister Herbert Reul von einem ‘Ermittlungskomplex, der wegen seines Umfangs schwindelerregend ist’. Seit 2019 konnten Pädokriminelle laut dem CDU-Politiker in dem Forum ‘ihre abscheulichen Fantasien’ ausleben.”
Trotz dieser Enthüllungen und Anstrengungen hat sich laut zusätzlichen Recherchen der “Strg_F”-Redaktion an dem Vorgehen im Bundesland NRW bis heute wenig geändert. Wie es im NP-Artikel heißt:
“Doch geändert hat sich bis heute nichts. Schlimmer noch: Das damalige Nicht-Löschen ist nun ein offizieller Beschluss. ‘Deutsche Polizeibehörden lassen weiterhin Bilder und Videos bewusst im Netz – gedeckt von einem geheimen Beschluss der Innenministerkonferenz aus dem Jahr 2023’, heißt es in einer gemeinsamen Recherche des ARD-Magazins Panorama und von STRG_F.”
Der NDR veröffentlichte nebenbei zum “Strg_F”-Video einen ausführlichen, erkenntnisreichen Artikel, der einleitend konstatiert:
“Missbrauch ohne Ende – Pädokriminelle Inhalte fluten das Netz – und die Polizei schaut zu. Deutschland gilt beim Kampf gegen Pädokriminalität im Netz als führend. In keinem anderen Land schalten Polizeibehörden so häufig Darknetforen ab. Doch die Erfolgsmeldungen sind nur die halbe Wahrheit.”
Die Dokumentation von “Strg_F”, ergänzt durch die Recherchen von Panorama, zeigt auf, dass es zwar technisch möglich ist, die Opfer von täglichen Ängsten und psychischen Belastungen zu befreien, indem man CSAM-Daten (Child Sexual Abuse Material), welche wiederholt hochgeladen werden, aus dem Netz löscht. Allerdings erfordert dies entschlossenes Handeln.
Ein prägnanter Satz des “Strg_F”-Redakteurs lautet:
“Die große Herausforderung besteht darin, dass es einfach zu viele Herausforderungen gibt.”
Dennoch gelang es diesem kleinen Drei-Personen-Team binnen eines Jahres, durch komplexe IT-Prozesse, Hartnäckigkeit und den Einsatz von KI-Technologie, aktiv in den Foren und den Tiefen der CSAM-Szene einzugreifen.
Das “Strg_F”-Team hat am Ende beeindruckende Ergebnisse vorzuweisen. Laut eines erschöpft vorgetragenen Kommentars im Video gelang es ihnen:
“310.000 Links, 21,6 Terrabyte – das sind 21.600 Gigabyte … krass, hinter jedem der Links steckt mindestens ein Foto, teilweise Dutzende Fotos, ganze Alben, stundenlange Videos …”
Alle beteiligten “Webhoster” haben nach Kontaktaufnahme durch das Team schnell reagiert und die Links gelöscht, wodurch die zugehörigen Dateien endgültig aus dem Netz entfernt wurden. Viele Foren wurden in der Folge komplett geschlossen.
Exemplarisch für die Arroganz der Macht steht die Reaktion des NRWinnenministers Reul, der in einem erneuten Interview mit der “Strg_F”-Redaktion sagte:
“Das ist doch der Beweis, dass Ihre Vermutung, dass, wenn man so vorgeht, man den Boden entzieht. Das ist ja auch logisch. Wenn kein Material, dann kein Boden für solche Aktionen.”
Auf die Frage, warum die staatlichen Stellen nicht selbst aktiv wurden, antwortete Reul
“Glückwunsch, ja, gut gemacht. Mein Problem ist, dass die Probleme, um die man sich kümmern muss, ganz, ganz viele sind und wir werden nicht alles gleichzeitig machen.”
Obwohl sich der CDU-Politiker den Fragen der Journalisten gestellt hat und das Versagen offen zugegeben wurde, lehnten andere verantwortliche Stellen weitere Interviewanfragen ab, anscheinend in dem Bestreben, sich der Verantwortung zu entziehen.
Noch Fragen? Am 23. Februar, auf dem Weg zur Wahlurne, sollte man diese Realitäten nicht vergessen.
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