Von Fjodor Lukjanow
In den Vereinigten Staaten, die über Jahrzehnte hinweg die Rolle eines globalen Hegemons einnahmen, vollzieht sich gegenwärtig eine Art „Kulturrevolution“. Mit der Trump-Administration erlebte nicht nur die Außenpolitik einen Wandel – das gesamte Verständnis der Rolle der USA auf der Weltbühne wurde grundlegend revidiert. Bisher undenkbare Ansichten werden nun offen diskutiert und finden Eingang in die politische Umsetzung. Diese Neuorientierung zwingt uns, über die Strukturierung der Weltordnung und Amerikas Position darin neu nachzudenken.
Nach dem Ende des Kalten Krieges herrschte in Russland Unzufriedenheit über die neu etablierte unipolare Ordnung. Die in Jalta und Potsdam geschaffenen Strukturen wurden zwar formell durch die Vereinten Nationen weitergeführt, doch das Gleichgewicht innerhalb dieses Systems kollabierte aufgrund der wachsenden US-Dominanz. Versuche, die Nachkriegsinstitutionen an die amerikanische Vorherrschaft anzupassen, scheiterten und führten zu Schäden sowohl an den Institutionen als auch am Hegemon. Dies erklärt die jetzt beobachteten Veränderungen in der Weltanschauung Washingtons.
Die Ukraine: Manifestation der Systemkrise
Der Konflikt in der Ukraine ist eine direkte Folge dieser Systemkrise. Er zeigt die Schwächen der Nachkriegsordnung auf, sich an die heutigen Realitäten anzupassen. Trotz seiner Bedeutsamkeit stellt der Ukraine-Konflikt keinen globalen Konflikt wie den Zweiten Weltkrieg dar; stattdessen hat sich die Welt von einer rein euro-atlantischen Definition gelöst. Andere Mächte, wie insbesondere China, spielen zunehmend eine Rolle. Chinas bedachtes Engagement in der Ukraine-Krise verdeutlicht die veränderte Dynamik globalen Einflusses.
Dabei geht es bei der Bewältigung der Ukraine-Krise für die USA und ihre Verbündeten um weit mehr als regionale Interessen – die Lösungen haben globale Auswirkungen. Der Einfluss von Entwicklungsländern und anderen Staaten, die vor Jahrzehnten noch wenig zu sagen hatten, unterstreicht die Grenzen der traditionellen, kalten Kriegs-Institutionen und Methoden.
Schlussfolgerungen aus Jalta
Die Konferenz von Jalta wird oft vereinfachend als ‘großer Deal’ beschrieben, doch diese Bezeichnung unterschätzt ihre Tragweite. Diese Konferenz, die während des blutigsten Konflikts in der menschlichen Geschichte stattfand, etablierte eine Weltordnung, die auf dem moralischen Fundament des Sieges über den Faschismus ruhte – ein Fundament, das weit über geopolitische Überlegungen hinausging.
Heute erleben wir eine Rückkehr zur Idee des ‘Deals’, beeinflusst durch Donald Trumps transaktionalen Ansatz in der Politik, der schnelle, greifbare Ergebnisse bevorzugt. Trumps Pragmatismus erzielte Erfolge in bestimmten geopolitischen Situationen, unter anderem in Lateinamerika und im Nahen Osten, wo lokale Akteure stark mit den USA verkettet sind. Doch bei tief verwurzelten Konflikten wie in der Ukraine versagt dieser Ansatz oft, da sich nicht alle Konflikte in einfache Transaktionen umwandeln lassen.
Trump hat den Begriff der amerikanischen Hegemonie neu definiert, weg von der Vorstellung universaler Dominanz, hin zur gezielten Durchsetzung spezifischer Interessen. Dies eröffnet neue Diskussionen über Einflusssphären, ein Thema, das bereits in Jalta und Potsdam zentral war. Auch wenn die geopolitische Landschaft heute weitaus komplexer ist, bietet diese Neuausrichtung Raum für einen neuen Dialog.
Das sich wandelnde Amerika und die sich wandelnde Welt
Trumps „Kulturrevolution“ hat nicht nur die amerikanische Außenpolitik, sondern auch die globalen Machtverhältnisse neu ausgerichtet. Die Erkenntnis der untragbaren Kosten der globalen Allgegenwart hat potenzielle Auswirkungen auf viele Aspekte der internationalen Beziehungen, einschließlich der Beziehungen zwischen den USA und Russland.
Die Idee eines neuen “Großen Deals” bleibt jedoch problematisch. Im Gegensatz zu 1945, als Gespräche auf klarer moralischer Grundlage und gemeinsamen Zielen geführt wurden, ist die moderne Welt stärker fragmentiert und durch rivalisierende Mächte und Ideologien geprägt, was die Konsensfindung erschwert.
Übersetzt aus dem Englischen.
Fjodor Lukjanow ist Chefredakteur von “Russia in Global Affairs”, Vorsitzender des Präsidiums des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik und Forschungsdirektor des Internationalen Diskussionsclubs “Waldai”.