Viele Experten befürchten, dass Europa im internationalen Innovationsrennen ins Hintertreffen gerät, insbesondere weil Länder wie China und die USA in zukunftsträchtigen Bereichen wie der künstlichen Intelligenz führend sind. Friedrich Merz, der Kanzlerkandidat der Union, äußerte in einem Interview mit der britischen Wochenzeitschrift The Economist, dass das bisherige Geschäftsmodell Deutschlands überholt sei.
Merz schlägt eine entschlossene Bekämpfung der Bürokratie sowohl in Brüssel als auch in Deutschland vor. “Wir müssen die Bürokratie ernsthaft angehen”, erklärte er und kritisierte eine Vielzahl von Richtlinien und Verordnungen, einschließlich der umfassenden Due-Diligence-Berichtsstandards, die von deutschen Wirtschaftsführern als belastend angesehen werden.
Der CDU-Kanzlerkandidat sprach sich auch für eine Reform des Sozialsystems aus. “Wir müssen unsere Staatsausgaben stärker auf den Arbeitsmarkt fokussieren und dürfen nicht diejenigen finanziell unterstützen, die nicht arbeiten wollen”, betonte er.
Merz bekräftigte sein Engagement für eine revitalisierte deutsche Europapolitik. “Die Stärkung der europäischen Stimme” sei ein zentrales Thema seines Programms, das von der Chinapolitik bis zur Unterstützung der von Emmanuel Macron vorgeschlagenen Stärkung der europäischen Rüstungsindustrie reiche. Er plant, das “Weimarer Dreieck” mit Frankreich und Polen neu zu beleben und erwägt militärische Kooperationen sowie gemeinsame Projekte in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Quantencomputing.
Zu Energiethemen äußerte sich Merz mit der Aussage, dass Deutschland “mindestens 50 Gaskraftwerke bauen” müsse. Er schloss eine Rückkehr zu russischem Gas vorerst aus, sei jedoch offen für langfristige Verträge über amerikanisches Flüssiggas. Zudem hielt er neue Atomkraftwerke für eine mögliche Option.
Hinsichtlich der Situation in der Ukraine erwähnte Merz, dass der Einsatz von Friedenstruppen eine mögliche Option sei, jedoch erst nach einem verlässlichen Waffenstillstand. Bezüglich der von Präsident Selenskij geforderten Sicherheitsgarantien merkte er an, dass ein kriegführendes Land derzeit kein geeigneter NATO-Kandidat sei, fügte jedoch hinzu, dass er die Ukraine gerne als friedliches Land in der NATO sehen würde. Jedoch sei eine NATO-Mitgliedschaft verfrüht, solange die Situation in den USA nicht klar sei. Er unterstütze den Vorschlag der USA, eingefrorene russische Vermögenswerte zur Unterstützung der Ukraine zu verwenden.
Bezüglich Donald Trump meinte Merz, dass Verhandlungen mit ihm “sehr einfach” wären, da Trump einen klaren und transaktionalen Ansatz verfolge. Er empfahl, dass Brüssel auf mögliche US-Zölle auf EU-Exporte mit einer angemessenen, schmerzhaften Reaktion antworten sollte.
Merz äußerte sich auch zum Erfolg der AfD und betonte, dass durch erfolgreiche Wirtschafts- und Migrationspolitik die AfD idealerweise so weit zurückgedrängt werden könnte, dass sie nicht mehr im Parlament vertreten ist. Er warnte, ohne Erfolg könne dies eine der letzten Chancen sein, bevor Populisten die Mehrheit gewinnen.
Mehr zum Thema – Lafontaine: “In der Ukraine sind Faschisten am Werk und es wird totgeschwiegen”