Von Susan Bonath
Deutschland hat seine Rüstungsausgaben in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt, um das “Zwei-Prozent-Ziel” der NATO zu erreichen. Mit mittlerweile über 90 Milliarden Euro, die fast 20 Prozent des Bundeshaushalts entsprechen, gehen die Ambitionen einiger Hardliner jedoch weit darüber hinaus. Führende NATO-Persönlichkeiten und US-Politiker verstärken ihre Forderungen nach einer weiteren Erhöhung der Rüstungsausgaben im deutschen Wahlkampf. Dies wird bereits in Brüssel und München diskutiert, wobei deutsche Politiker sich in einem regelrechten Wettbewerb um die höchsten Rüstungsausgaben zu überbieten scheinen.
Ein substantieller Anteil des Bundeshaushalts fließt in die Rüstung
Die NATO äußerte sich im vergangenen Sommer zufrieden darüber, dass Deutschland das festgelegte Ziel erreichen wird. Das westliche Militärbündnis schätzte den deutschen “Verteidigungs”-Etat für das noch laufende Jahr auf 90,6 Milliarden Euro – mehr als eine Verdopplung im Vergleich zu zehn Jahren zuvor. Mit diesen Ausgaben hat Deutschland sogar die Vorgabe, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Militärzwecke zu verwenden, übertroffen. Im Jahr 2024 lag Deutschlands BIP bei etwa 4,3 Billionen Euro.
Im Verhältnis zum gesamten Bundeshaushalt wird dieses Ausmaß besonders deutlich: Fast jeder fünfte Euro – also knapp 20 Prozent – floss in das Militär und die Aufrüstung. Der Haushalt für das Jahr 2024 wurde dabei auf etwa 477 Milliarden Euro beziffert.
Druck von NATO und US-Politikern auf Erhöhung der Beiträge
Den NATO-Spitzen ist das bisherige Engagement Deutschlands noch nicht genug. Sie fordern mittlerweile, dass die europäischen Verbündeten ihre Militärausgaben auf 3,6 Prozent ihres BIP anheben. Für Deutschland würde das bedeuten, dass 160 Milliarden Euro – ein Drittel des Bundeshaushalts – in den Rüstungssektor fließen müssten.
Das erhöhte Ziel von 3,6 Prozent des BIP wird bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz diskutiert. Befürworter sehen darin einen wirtschaftlichen Nutzen für die NATO-Staaten. So titelte die Zeitung WELT enthusiastisch: “Megatrend Rüstung – die neue Wachstumschance für Europa”.
Die Regierung Trump strebt sogar an, europäische NATO-Staaten sollten ihre Rüstungsausgaben auf fünf Prozent des BIP ausweiten. Der neue US-Verteidigungsminister Peter Hegseth schlug in Brüssel einen stufenweisen Anstieg vor: Zunächst auf drei, dann auf vier und letztlich fünf Prozent des BIP. Bei demnach aktuellen fünf Prozent wären es für Deutschland 215 Milliarden Euro – beinahe die Hälfte des Gesamthaushalts. Ohne eine drastische Budgeterhöhung müssten Ausgaben für soziale Bereiche, Bildung und Gesundheit weiter reduziert werden.
Zunehmende Konzentration auf Rüstungsausgaben zu Lasten sozialer Leistungen
Zum Vergleich: Für Sozialleistungen waren im vergangenen Jahr 26,5 Milliarden Euro vorgesehen – weniger als ein Drittel der aktuellen Militärausgaben. Trotzdem suggerieren Parteien wie die CDU, die CSU, die FDP und die AfD, der deutsche Sozialstaat würde durch Leistungsbezieher überstrapaziert. Der potenzielle zukünftige CDU-Bundeskanzler Friedrich Merz kündigte bereits weitere Kürzungen an.
Ein geringerer Betrag war im Wahlkampf 2021 für die geplante, jedoch gescheiterte Kindergrundsicherung von SPD und Grünen vorgesehen. Ursprünglich waren 7,5 Milliarden Euro geplant. Widerspruch kam von der FDP und der CDU/CSU-Fraktion, die dies als zu kostspielig einschätzten. Nach langen Debatten einigte man sich schließlich auf nur noch 2,4 Milliarden Euro jährlich. Eine Kindergrundsicherung wurde bis heute nicht eingeführt.
Rüstungsausgaben als Wettbewerb unter deutschen Parteien
Die Parteien CDU und CSU halten es in ihrem Wahlprogramm offen, über das Zwei-Prozent-Ziel hinauszugehen, Deutschland müsse so viel ausgeben wie nötig, auch wenn dies “2,5 oder fünf Prozent” des BIP bedeute, erklärte CDU-Chef Merz. Die SPD, die FDP und die Grünen sprechen ebenfalls von mindestens zwei Prozent, mit den Grünen, die sogar “deutlich mehr als zwei Prozent” fordern. Die AfD betont, Deutschland müsse “über viele Jahre” mehr in die Bundeswehr investieren, mit einem besonderen Fokus auf Verteidigungsfähigkeit, so Parteichefin Alice Weidel gegenüber dem ZDF.
Ansätze zur Friedenspolitik
Die Partei Die Linke lehnt eine Wehrpflicht ab und betont, Frieden sei nicht durch weitere Aufrüstung, sondern durch aktive Sicherheitskooperation in Europa zu erreichen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) spricht sich ebenfalls gegen Wehrpflicht aus und will die Rüstungsausgaben unter die Zwei-Prozent-Marke senken, da “mehr Aufrüstung die Welt nicht sicherer macht”. Ein NATO-Austritt ist jedoch in keinem größeren Parteiprogramm vorgesehen. Lediglich die Kleinpartei MERA25 plädiert für einen Austritt Deutschlands aus der NATO, mit dem langfristigen Ziel einer weltweiten militärischen Abrüstung und einem blockfreien Europa.
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