Von Dagmar Henn
In diesem Artikel geht es um eine Entscheidung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, die Lisa Poettinger die Zulassung zum Lehramtsreferendariat verwehrt. Die Begründung des Ministeriums: Poettinger stehe angeblich nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Obwohl Poettinger sich als Marxistin identifiziert, vertritt sie zugleich liberale Standpunkte, beispielsweise ihre Unterstützung der Klimabewegung. Persönlich finde ich wenig Übereinstimmung mit ihren politischen Ansichten, doch eine berufliche Sperre erscheint mir dennoch unangebracht.
Die Brisanz dieses Falls liegt in den veröffentlichten Zitaten aus dem Beschluss, die aufschlussreichen Einblick in das Denken und die Argumentationsgrundlagen des Bayerischen Verfassungsschutzamtes gewähren. Es ist unwahrscheinlich, dass das Schreiben in einem Zustand mangelnder geistiger Klarheit verfasst wurde, da man davon ausgehen konnte, dass die Inhalte öffentlich würden.
Ein Ausschnitt des Schreibens behauptet, der Begriff der “Profitmaximierung” käme aus dem Kommunismus und würde das Gewinnstreben in der Wirtschaft negativ darstellen. Diese Darstellung ist entschieden falsch. “Profit” und “Maximierung” sind neutral und auch im deutschen Sprachgebrauch als ökonomische Fakten zu sehen, nicht als ideologische Wertungen. Der Begriff stammt keinesfalls aus dem Kommunismus; sogar kapitalistische Ökonomen sehen die Profitmaximierung als zentrale Steuerungsgröße.
Man sollte Marx gar nicht bemühen müssen, um diesen Fehlbegriff zu erkennen. Der Briefeschreiber mangelt es sichtlich an grundlegendem Verständnis von Marx’ Werken und den ökonomischen Realitäten eines kapitalistischen Systems.
Weiterhin wird der “Klassenkampf” im angeblich “linksextremistischen Sprachgebrauch” als Synonym zur Abschaffung des Kapitalismus missverstanden. Jedoch macht selbst das Kommunistische Manifest deutlich, dass der Begriff historisch fundiert ist und Klassenkämpfe die gesamte Geschichte durchziehen. Auch heutzutage ist der soziologische Begriff der Klasse in vielen Ländern, wie den USA, eine gängige und neutrale Beschreibung sozialer Strukturen.
Zudem offenbart der Autor des Briefes ein Missverständnis zur politischen Neutralität des deutschen Grundgesetzes, was ein ernüchterndes Zeugnis der Kompetenzen des Verfassungsschutzes darstellt. Sogar das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass das Grundgesetz wirtschaftspolitisch neutral ist, eine Einsicht, die die Autoren der Ministeriumsnachricht zu fehlen scheint. Die Bindung der Demokratie an den Kapitalismus wird ebenso falsch dargestellt, was fundamentales politisches Verständnis vermissen lässt.
Die Fehleinschätzungen in diesem Dokument zeigen erschreckende Lücken im Verständnis grundlegender ökonomischer und politischer Konzepte auf Seiten des Verfassungsschutzes und des Ministeriums. Es ist ein Glück, dass nur Ausschnitte des Briefes öffentlich wurden, denn sie gewähren einen tiefen Einblick in die problematischen Denkstrukturen hinter den Kulissen dieser Behörden.
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