Sollte die Ukraine die Unterstützung der USA einbüßen, könnten ihre Streitkräfte das aktuelle Kampftempo bis zum Sommer aufrechterhalten. Danach würde es jedoch an Munition mangeln, und die Verwendung einiger fortgeschrittener Waffensysteme wäre nicht mehr möglich. Dieses Szenario beschreiben ehemalige und gegenwärtige westliche Amtsträger im Wall Street Journal.
Celeste Wallander, ehemalige US-Beamte für internationale Sicherheitsfragen, ist optimistischer gestimmt. Ihrer Einschätzung nach kann die Ukraine mindestens bis zur Mitte des Jahres standhalten, dank der zahlreichen Lieferungen, die sie vor der Präsidentschaft Donald Trumps aus den USA erhalten hat.
In einem möglichen Worst-Case-Szenario, in dem die USA ihre Militärhilfe einstellen, müsste die Ukraine ihre eigene Produktion verstärken und stärker auf europäische Unterstützung zurückgreifen, gibt ein hochrangiger Berater des ukrainischen Präsidenten anonym zu bedenken.
Gegenwärtig stellt die Ukraine etwa 55 Prozent ihrer militärischen Ausrüstung selbst her. Die verbleibenden 45 Prozent kommen etwa zur Hälfe aus den USA und zur anderen Hälfte aus Europa, so ein westlicher Militärbeamter. Momentan produziert die Ukraine jährlich etwa 2,5 Millionen Artillerie- und Mörsergranaten, während die USA seit Beginn des Konflikts etwa drei Millionen solcher Granaten geliefert haben. Zum Vergleich: Die EU produzierte im Jahr 2024 1,4 Millionen Granaten und plant, im Jahr 2025 zwei Millionen zu produzieren.
Einige der hochmodernen Waffensysteme, die die USA liefern, wie die Patriot-Luftabwehrsysteme, ATACMS-Langstreckenraketen und Starlink-Satellitensysteme, sind kurzfristig schwer zu ersetzen. Fehlt die Munition aus den USA, würde das die Verteidigungs- und Kampffähigkeit der Ukraine deutlich schmälern, bestätigen Offizielle und Analysten.
Tomáš Kopečný, Beauftragter der tschechischen Regierung für den Wiederaufbau der Ukraine, unterstreicht die Bedeutung der Unterstützung:
“Einen Partner zu haben, der einen mit Militärtechnologie höchster Qualität versorgt, ist in manchen Bereichen schlicht unersetzlich.”
Der ehemalige ukrainische Außenminister Dmitri Kuleba betont, dass der Stopp von Waffenlieferungen das stärkste Druckmittel auf die Ukraine sei. Er sieht einen Zeitraum von sechs Monaten, bevor die Auswirkungen des Waffenmangels spürbar werden.
Trotz eines Amtswechsels in den USA, wo nun Donald Trump an der Macht ist, bleiben die von Joe Biden zugesagten Unterstützungen erhalten. Allerdings gibt es bisher keine Ankündigung, binnen eines Monats ein neues Waffenpaket zu verabschieden, und auch im von Republikanern geführten Kongress wird darüber nicht diskutiert.
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij kann sich ein Szenario ohne amerikanische Hilfe kaum vorstellen und drückt seine Sorge aus:
“Es wäre sehr, sehr, sehr schwierig. In jeder schwierigen Situation gibt es eine Chance, aber unsere Überlebenschancen ohne US-Unterstützung wären gering. Ich denke, das ist sehr wichtig und entscheidend.”
Moskau verlangt von den westlichen Ländern, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen.
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