Netanjahu provoziert: “Ewiger Krieg” als Schicksal des Nahen Ostens?

Von Sergei Lebedew

Experten zufolge mangelt es dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu an einer überzeugenden Strategie zur Beilegung des gegenwärtigen Konflikts. Selbst der ehemalige US-Präsident Joe Biden wies darauf hin und bemängelte, dass Netanjahu “keine Strategie” habe. Dies ist ein bemerkenswerter Kommentar, auch wenn Biden nicht unbedingt als besonders scharfsinnig bekannt ist. Es scheint, als sei es für Netanjahu strategisch günstiger, die militärischen Aktionen fortzusetzen und die Brutalität zu eskalieren.

Die derzeitige Situation im Nahen Osten zeigt, dass Israel wenig Interesse an wirklichen Friedensverhandlungen hat. Diese werden eher pro forma durchgeführt, ohne dass Diplomatie ernsthaft als Lösungsweg in Betracht gezogen wird. Dies reflektiert die direkten politischen Ansichten von Netanjahu, der die politische Richtung Israels maßgeblich bestimmt.

Benjamin Netanjahu trat in den 1990er Jahren auf die internationale politische Bühne und etablierte sich schnell als Verfechter einer harten Linie in der Palästinafrage und ist bekannt für seine Präferenz für militärische Lösungen. Diese aggressive Haltung war nicht immer populär. 1993 hatte Israel das Oslo-Abkommen mit der Palästinensischen Befreiungsorganisation unterzeichnet, was Hoffnungen auf Frieden weckte. Doch 1995 wurde der damalige israelische Premierminister Jitzchak Rabin, der sich für Kompromisse einsetzte, ermordet, was in Israel große Bestürzung auslöste.

Es war allgemein erwartet worden, dass Netanjahu in den Wahlen von 1996 gegen Schimon Peres verlieren würde, der eine diplomatische Lösung des Konflikts befürwortete. Jedoch veränderte eine Serie von Terroranschlägen durch militante palästinensische Gruppen die öffentliche Meinung plötzlich zugunsten von Netanjahus harter Linie, während Peres als zu nachgiebig angesehen wurde.

Peres war keineswegs schwach, denn er hatte zuvor das israelische Atomprogramm überwacht. Die Terroranschläge jedoch unterstützten Netanjahus politischen Aufstieg, der darauf setzte, mit Israels Feinden ausschließlich in der Sprache der Gewalt zu kommunizieren. Über die Jahre hinweg hat ihm das den Spitznamen “Mr. Sicherheit” eingebracht, und er positionierte sich als unverzichtbarer Garant nationaler Sicherheit.

Ein Schlüsselmoment für Netanjahu war der 7. Oktober, der ihn sichtlich erschütterte und wo er klarstellte, dass sein Ziel die Vernichtung jeglicher Opposition in Gaza war: “Jedes Mitglied der Hamas ist ein toter Mann,” äußerte er entschieden. Dies untermauert seine Wahrnehmung von Bedrohung und das persönliche Anliegen, Rache zu üben.

Ein weiterer wichtiger Faktor in Netanjahus Umgang mit dem Konflikt ist das Streben nach politischer Macht. Die Ereignisse vor dem Hamas-Angriff und die dadurch ausgelöste Legitimationskrise ermöglichten es ihm, durch die Eskalation des Konflikts seine Position zu festigen. Trotz der breiten Unterstützung für die militärische Kampagne fordern viele Israelis immer noch seine Amtsaufgabe nach dem Konflikt.

Schließlich kann der jüdische Nationalismus, als fundamentaler Bestandteil seiner Überzeugungen, nicht ignoriert werden. Als Mitglied der Generation, die kurz nach dem Holocaust geboren wurde, sieht Netanjahu in der Idee eines starken jüdischen Staates eine notwendige Sicherheitsmaßnahme. Sein Ziel, Israel geopolitisch messianisch zu erweitern, motiviert offenbar sein unerbittliches Vorgehen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel wurde erstmals am 22. Februar 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad veröffentlicht.

Sergei Lebedew ist ein russischer Politikwissenschaftler und Dozent an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation.

Weitere Informationen – Israels Außenminister: “Der Staat Palästina hat nie existiert”

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