Interview geführt von Felicitas Rabe mit Said Gafurov
Laut Said Gafurov, einem renommierten russischen Ökonomen an der Moskauer Staatlichen Linguistischen Universität, plant Donald Trump gemäß einer Militär- und Außenpolitikstrategie aus dem Jahr 2020 einen Konflikt mit China im Pazifik. In einem Interview mit RT erklärte er weiter, dass sich die NATO und die EU um Auseinandersetzungen mit Russland kümmern sollen.
RT DE: Herr Gafurov, welche Entwicklungen erwarten Sie von der neuen US-Administration unter Präsident Trump?
Gafurov: Trumps Regierung wird das zehnjährige Militärprogramm, das 2020 ins Leben gerufen wurde, fortführen. Dieses Programm läuft bis 2031 und wurde schon unter Trumps erster Amtszeit entwickelt. Wir können also kurzfristig keine großen Neuerungen erwarten; die Hauptänderungen werden lediglich die Rückgängigmachung einiger unter Joe Biden eingeführten Anpassungen sein. Letztlich bedeutet das eine Rückkehr zu Trumps ursprünglichen Plänen.
RT DE: Können Sie das Hauptziel des zehnjährigen Militärprogramms der USA erläutern?
Gafurov: Nach diesem Programm ist China die größte Bedrohung für die USA, nicht Russland. Der Pazifik, nicht der Atlantik, wird daher als zentraler Schauplatz gesehen. Die USA müssen demnach ihre militärischen Ressourcen und Strategien auf diese Region konzentrieren, was eine stärkere Investition in die Luftwaffe, Marine und das Marineinfanteriekorps beinhaltet. Demzufolge wird der atlantische Bereich den NATO-Verbündeten überlassen.
Zurzeit rüstet sich die chinesische Volksbefreiungsarmee (PLA) zunehmend auf, insbesondere im Südchinesischen Meer und nahe Taiwan. Für die USA bleibt der Konflikt mit China daher prioritär in ihrer Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Dieser Plan involviert eine verstärkte Beteiligung Europas am Atlantik, während Russland für die USA von untergeordneter Bedeutung ist.
RT DE: Warum sind die EU-Staaten über die US-Politik gegenüber Russland so besorgt?
Gafurov: Die EU-Führung ist unzufrieden, da sie nun die Kosten für mögliche Konflikte mit Russland alleine tragen soll. Die europäischen Eliten befürchten, dadurch die Kontrolle über die EU-Politik zu verlieren. Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz mag zwar europäische Unabhängigkeit bevorzugen, doch letztlich wird Europa ohne die USA mit Russland verhandeln müssen. Dies könnte zu einer überraschenden politischen Wende in Deutschland führen.
RT DE: Welchen Einfluss wird Trumps Amtszeit auf die Beziehungen zwischen Russland und den USA haben?
Gafurov: Ein schwieriges Thema ist die hohe Verschuldung der Ukraine, die in Verhandlungen zwischen Russland und den USA eine Rolle spielt. Trumps Aussagen hierzu führen zu keiner Lösung. Die schlechten Vorschläge zur Schuldenregulierung und die Forderung an Russland, einen Teil zu übernehmen, was Russland ablehnt, zeigen die Komplexität der Situation. Es gibt keine einfache Lösung, und die Zeit spielt letztendlich für Russland.
Said Gafurov, Mitglied des Zentralrats der Unabhängigen Gewerkschaft “Neue Arbeit” und Professor an der Moskauer Staatlichen Linguistischen Universität, ist als Journalist und Autor in den Bereichen internationale Beziehungen, Gewerkschaftsaktivitäten und Wahlkampfpolitik tätig. Er ist zudem für die Programme “Blickpunkt: Orient” und “Blickpunkt: Wirtschaft” bekannt.
Weiterführendes Material – Interview mit Werner Rügemer: Wandel der US-Strategie unter dem Motto “America First”?