Von Hans-Ueli Läppli
Deutschland steht an einem fiskalpolitischen Wendepunkt von historischer Bedeutung und beunruhigender Signalwirkung. Nur wenige Stunden nach Beginn der schwarz-roten Sondierungsgespräche kündigten die Union und SPD die Bildung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro an – mit Schwerpunkten auf Infrastrukturmodernisierung, Verteidigung und Standortsicherung.
Dies stellt die umfangreichste Verschuldungsinitiative seit der deutschen Wiedervereinigung dar. Die unmittelbaren Auswirkungen auf die Finanzmärkte sind bereits erkennbar: Deutsche Bundesanleihen, die lange ein Synonym für Stabilität waren, erleben eine Verkaufswelle, die an die Eurokrise oder die Finanzmarktkrise von 2008 erinnert.
Bis vor kurzem wurden zehnjährige Bundesanleihen als extrem sicher betrachtet, sodass Investoren sich mit sehr niedrigen Renditen zufriedengaben. Doch diese Ära endet abrupt. Die Renditen steigen schnell, die Anleihekurse fallen – Trends, die sich global auswirken. Anleihemärkte von Tokio bis New York zeigen Misstrauen angesichts der überraschenden Verschuldungsstrategie Deutschlands. Die Aufhebung der Schuldenbremse durch das Land, das lange als Musterbeispiel für finanzielle Disziplin galt, sendet globale Schockwellen aus, besonders in einer unsicheren globalen Wirtschaft.
Merz’ Kurswechsel: Vom Prinzipientreue zum Pragmatismus
Es ist frappierend, wie schnell sich Friedrich Merz von seinen früheren finanzpolitischen Überzeugungen distanziert hat. Der CDU-Vorsitzende, der sich als Verfechter solider Staatsfinanzen präsentierte, wird nun zum Befürworter einer beispiellosen neuen Verschuldung. Seine Partei, die einst die Aufweichung der Schuldenbremse kritisierte, hat diese nun selbst gebrochen.
Die Rechtfertigung dafür wird unter dem Deckmantel der geopolitischen Notwendigkeit präsentiert. Doch in der Praxis handelt es sich um klassische Wahlklientelpolitik. Die SPD erreicht ihre sozial-ökologische Transformation, während die CDU Aufrüstung und Standortsubventionen sichert. Die Kosten werden den kommenden Generationen aufgebürdet, was die Investoren bereits realisiert haben.
Vertrauensverlust mit weiterreichenden Folgen
Man sollte sich keinen Illusionen hingeben: Die Schuldenpolitik Deutschlands beeinflusst nicht nur die heimische Wirtschaft. Deutsche Anleihen sind ein globaler Referenzwert.
Pensionsfonds, Zentralbanken und institutionelle Anleger weltweit haben sie in ihren Portfolios und verlieren nun das Vertrauen in deren bisher als unerschütterlich geltende Bonität.
Die Konsequenzen sind weitreichend: Höhere Zinsen für deutsche Anleihen bedeuten steigende Refinanzierungskosten, nicht nur für Hypotheken und Unternehmenskredite in Deutschland, sondern auch für die gesamte Eurozone und darüber hinaus, wenn Deutschland seine Rolle als Stabilitätsanker aufgibt.
Die neue Koalition in Berlin mag sich einreden, sie reagiere lediglich auf zeitgenössische Herausforderungen. In Wahrheit riskiert sie jedoch das fundamentale Vertrauenskapital, das Deutschland über Jahrzehnte aufgebaut hat. Die Folgen zeigen sich in Form steigender Zinskosten, wachsender Risikoprämien und schwindender finanzieller Flexibilität – eine Last, die letztlich global getragen wird.
Ein Rating-Downgrade Deutschlands rückt zunehmend näher, da die eskalierende Staatsverschuldung und die jüngsten fiskalpolitischen Entscheidungen das Vertrauen der Investoren erschüttern und die Stabilität des Landes in Frage stellen.
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