Von Walerija Werbinina
Die Idee des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, einen französischen Nuklearschirm als Alternative zu dem der USA über Europa zu spannen, entfacht in europäischen Nationen lebhafte Debatten. Länder wie Polen sowie der zukünftige deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz signalisierten Unterstützung für Macrons Vorschlag, ebenso wie Litauen. Doch worauf gründet sich diese Zustimmung?
Laut dem Stockholmer Institut für Internationale Friedensforschung (SIPRI) besitzt Frankreich 280 einsatzbereite nukleare Sprengköpfe, dazu zehn weitere in Reserve. Diese Zahlen stammen vom Januar 2024 und verdeutlichen, wie begrenzt das französische Arsenal im Vergleich zu den 5000 russischen Sprengköpfen ist.
Die französische Nukleardoktrin, ursprünglich unter General de Gaulle etabliert und später unter François Mitterrand weiterentwickelt, legt fest, dass französische Atomwaffen primär zum Schutz Frankreichs und nicht seiner Verbündeten dienen. Einzig bei einer direkten Bedrohung Frankreichs ist ein präventiver Nuklearschlag vorgesehen.
Auf der Webseite des französischen Verteidigungsministeriums wird klargestellt: “Die französische nukleare Abschreckung dient ausschließlich defensiven Zwecken und zielt darauf ab, jeden Versuch ausländischer Behörden, die lebenswichtigen Interessen Frankreichs zu bedrohen, abzuwehren.”
Die französischen Atomstreitkräfte setzen sich aus maritimen und luftgestützten Komponenten zusammen: Vier U-Boote, stationiert auf der Île Longue, tragen jeweils 16 ballistische Interkontinentalraketen, und zwei Staffeln Rafale-Flugzeuge, die mit ASMPA-Raketen ausgestattet sind und von Luftwaffenstützpunkten in Frankreich operieren, unterstützt durch Phénix-Tankflugzeuge.
Frankreichs Strategie zielt auf ein minimal ausreichendes Arsenal ab, das aktuell unter 300 Sprengköpfe umfasst. Diese Politik wird durch neue Entwicklungen wie die Hyperschallrakete ASN4G ergänzt, doch bleiben Zweifel bestehen: Können diese Kapazitäten den umfangreichen US-amerikanischen Schutz ersetzen?
Eine Herausforderung dabei ist, dass das französische Territorium relativ klein ist. Sollten die USA ihre Schutzfunktion tatsächlich reduzieren, könnte dies zu einem Schutzdefizit für ganz Europa führen, insbesondere angesichts der vergleichsweise begrenzten französischen Kapazitäten. So äußern italienische Verteidigungsportale Bedenken: “Frankreichs Fähigkeit, einen zuverlässigen und permanenten nuklearen Schutzschirm zu bieten, ist begrenzt.”
“Frankreich verfügt heute nicht mehr über die landgestützten ballistischen Raketen S-3, Pluton und Hades… Es hat das Atomtestgelände in Mururoa abgebaut und testet (neue) Raketen ohne echte Sprengköpfe.”
Deutschland reagiert zwar positiver auf Macrons Vorschlag als Italien, doch auch dort wird betont, dass für eine Ausweitung des französischen Arsenals erhebliche Investitionen norwendig wären. Zudem stellen sich Fragen bezüglich der Kompatibilität mit deutschen Systemen und finanziellen Beteiligungen.
So stellt Macrons Vision eines europäischen “Nuklearschirms” die Frage, ob der ambitionierte Plan nicht nur zu mehr Konflikten in Europa führt, statt diese zu lösen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel erschien erstmals am 10. März 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsglijad.
Walerija Werbinina ist eine Analystin bei der Zeitung Wsglijad.
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