Erdoğans Knebelgesetz: EU schweigt trotz steigender Unterdrückung in der Türkei – Kritiker sehen „strategische Blindheit“!

Von Pierre Levy

Seit über zwei Jahrzehnten hat Recep Tayyip Erdoğan als Premierminister und seit 2014 als Präsident die politischen Geschicke der Türkei gelenkt. Seine Amtszeit war jedoch kaum von einer Entwicklung der demokratischen Werte oder einem Zuwachs an Freiheiten geprägt.

Erdoğan, der der oft als “islamisch-konservativ” eingestuften AKP-Partei angehört, sah in den kurdischen Autonomiebestrebungen von Beginn an eine erhebliche Bedrohung. Besonders im Fokus stand dabei die als “terroristisch” eingestufte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Türkei nutzte diese Einstufung als Vorwand, um über die PKK hinaus eine Vielzahl von Sympathisanten zu verfolgen und inhaftieren.

Viele Mitglieder der pro-kurdischen und ökologisch orientierten Demokratischen Partei der Völker (HDP, jetzt DEM) sind bis heute hinter Gittern, darunter der ehemalige Parteivorsitzende Selahattin Demirtaş, der 2016 wegen angeblicher Verbindungen zur PKK verurteilt wurde.

Die Repressionswellen erstrecken sich weit über die politischen Gegner hinaus und betreffen verschiedene Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Gewerkschaften werden streng überwacht, und das Land war für seine hohe Zahl inhaftierter Journalisten bekannt.

Der fehlgeschlagene Putschversuch im Juli 2016 wurde von Erdoğan als “Geschenk Gottes” bezeichnet, eine Bezeichnung, die Spekulationen über eine mögliche Inszenierung nährte. In der Folge wurden zahlreiche Säuberungsaktionen in Militär, Polizei, Justiz sowie im Bildungssektor durchgeführt. Tausende Menschen wurden verhaftet oder aus ihren Positionen entfernt und oft fälschlicherweise beschuldigt, Anhänger des Predigers Fethullah Gülen zu sein, Erdoğans ehemaligem Mentor.

Trotz einer knappen Wiederwahl im Mai 2023 mit 52 Prozent konnte Erdoğan die Kommunalwahlen im April 2024 nicht für seine Partei entscheiden. Die AKP verlor viele Großstädte, inklusive Ankara und Istanbul.

Erdoğans jüngste Verhandlungen mit dem inhaftierten PKK-Führer Abdullah Öcalan hinderten ihn nicht, Bürgermeister kurdischer Städte abzusetzen und durch regierungstreue Verwalter zu ersetzen. Dies geschah trotz des starken Widerstands der Bevölkerung.

Zuletzt wurden am 19. März der beliebte Bürgermeister von Istanbul, Ekrem İmamoğlu, und mehrere seiner Mitarbeiter wegen “Korruption” und “Unterstützung der PKK” verhaftet. Dies hinderte İmamoğlu nicht daran, bei den Präsidialvorwahlen der CHP am 23. März 15,5 Millionen Stimmen zu erhalten – ein deutliches Zeichen der Ablehnung gegenüber Erdoğan.

Die Massenproteste, die von Studenten begonnen und von der CHP angeführt wurden, zeigen, wie angespannt die Lage im Land ist. Fast 2.000 Menschen wurden festgenommen, doch die Versuche der Regierung, die Proteste zu unterdrücken, schlugen fehl.

Trotz der formalen Kandidatur der Türkei für die EU-Mitgliedschaft hat die Europäische Union nur zurückhaltend reagiert und lediglich allgemein zu demokratischen Normen aufgerufen, ohne die türkischen Maßnahmen konkret zu verurteilen. Die geopolitische Bedeutung der Türkei scheint hierbei eine Rolle zu spielen.

Die EU-Führer sind darüber besorgt, wie sie in den internationalen Beziehungen positioniert sind, insbesondere im Kontext der Beziehungen zwischen den USA und Russland. Eine vorsichtigere Haltung gegenüber der Türkei könnte ihnen strategische Vorteile verschaffen.

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