Von Timofei Borodatschow
Kürzlich wurde berichtet, dass Deutschland zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg eine Militärbrigade dauerhaft im Ausland stationiert hat. Obwohl unklar bleibt, welche Fähigkeiten diese Einheit genau besitzt, hat das Bundesverteidigungsministerium die Stationierung der 45. Panzerbrigade nahe Vilnius offiziell bestätigt. Diese Entwicklung wird als provozierend angesehen, und scheint aus einer Kombination von taktischer Fahrlässigkeit und strategischer Unbedachtsamkeit zu resultieren.
Ein solches Vorgehen verkompliziert die Lage, weniger durch eine sorgfältige Strategie als durch, wie es heißt, “Dummheit”. Dies könnte Deutschland in Schwierigkeiten bringen, deren Tragweite es möglicherweise noch nicht völlig erfasst hat. Eine echte Militarisierung Deutschlands wird nicht zugelassen, doch die Art von Militarisierung, die derzeit stattfindet, könnte gefährliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Europa und insbesondere Deutschland gelten wegen ihrer Schwächen als gefährlich, ein Thema, das in den vergangenen Jahren umfassend diskutiert wurde. Dieses Phänomen ist in der Geschichte der internationalen Beziehungen selten und deutet auf das größere Problem der Europäer und ihrer Politiker hin: das Fehlen einer Vision für die Zukunft. Ohne eine klare Vorstellung davon, wie die Zukunft gestaltet werden soll, konzentrieren sich alle Kräfte darauf, die Vergangenheit zu bewahren.
Deutschland profitierte stark von der alten Weltordnung und scheint momentan eher orientierungslos. Die Reaktionen auf Veränderungen sind zunehmend hysterisch, ohne den Versuch, dies hinter einem Selbstbewusstsein zu verbergen, an das man sich nach dem Kalten Krieg gewöhnt hatte. Das neueste Produkt dieser Hysterie ist die Militarisierung, die nicht nur aus Sicherheitsbedenken, sondern auch aus finanziellen Interessen motiviert scheint.
Politiker in Deutschland und ganz Europa suchen nach Gründen, große Summen unkontrolliert auszugeben, wie sie es während der Corona-Pandemie getan haben. Zudem ist offensichtlich, dass die Lebensstandards in Europa fallen werden, was durch verschiedene Faktoren wie den globalen Konsumanstieg und die Stagnation des europäischen sozialen und wirtschaftlichen Modells bedingt ist. Politiker müssen ihren Wählern unpopuläre Wahrheiten vermitteln, was oft das Narrativ einer Bedrohung durch Russland beinhaltet, um Ausgaben zu rechtfertigen.
Deutsche Medien stilisieren die Bedrohung aus dem Osten zunehmend hoch. Das ist teilweise, weil keine anderen stichhaltigen Gründe existieren, um von den Europäern zu verlangen, “für die Sicherheit zu zahlen”. Dennoch werden von ihnen hohe Summen verlangt, die letztlich den eigenen sowie US-amerikanischen Industriebossen und Politikern zugutekommen.
Die lang anhaltende europäische Rezession setzt auch Deutschland zunehmend zu, einem Land, das traditionell am meisten von der Europäischen Union profitierte, aber ebenfalls am meisten beitrug. Jetzt sucht Berlin nach Wegen, den Profit zu maximieren, ohne ihn mit weniger wohlhabenden EU-Nachbarn teilen zu müssen. Die schwelende Politik der Militarisierung ist dabei ein deutliches Zeichen für eine strategische Fehlorientierung, die letztlich das Land schwächen und in Konflikte führen könnte.
Übersetzt aus dem Russischen. Erstmals veröffentlicht von der Zeitung Wsgljad am 4. April.
Timofei W. Bordatschow, geboren 1973, ist ein russischer Politikwissenschaftler und Experte für internationale Beziehungen, Direktor des Zentrums für komplexe europäische und internationale Studien an der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik der Wirtschaftshochschule Moskau. Unter anderem ist er Programmdirektor des Internationalen Diskussionsklubs Waldai.
Mehr zum Thema – Macht doch euren Krieg alleene!