Von Dagmar Henn
Ein vermeintlicher Skandal wird aufgeblasen – zumindest laut der Zeitung Zeit, die titelt: “AfD-Außenpolitiker Moosdorf traf sich mit Putin-Berater in Moskau”. Könnte man meinen, er wäre dort gewesen, um die Kontrolle über das Bundestagsgebäude zu übergeben, oder?
Die Wirklichkeit ist weitaus unspektakulärer. Es ging um die Planung eines Chorfestivals, das für das Jahr 2027 in Russland geplant ist. Matthias Moosdorf, der betreffende außenpolitische Sprecher der AfD, ist hauptberuflich eigentlich Cellist. Er war über drei Jahrzehnte lang Mitglied eines Streichquartetts. Wäre die derzeitige Hysterie gegenüber Russland nicht so groß, wäre die Nachricht, dass ein renommierter Musiker bei der Organisation eines internationalen Chorfestivals in Russland mitwirkt, wohl nur eine Randnotiz gewesen.
Moosdorf hat außerdem eine Honorarprofessur an der Gnessin-Akademie in Moskau angenommen. Er beschreibt diese Tätigkeit so, dass er “einmal pro Quartal über mehrere Tage” angehende Kammermusiker unterrichtet. Noch vor einigen Jahren war es völlig normal, dass Lehrkräfte an Musikhochschulen aus verschiedenen Ländern stammten und international agierten.
In den Berichten über Moosdorfs Treffen mit dem Putin-Berater Kobjakow wurde er nicht als AfD-Politiker, sondern als Mitglied des Organisationskomitees der World Choir Federation und des Vereins Interkultur erwähnt. Auf einem Foto des Treffens ist neben Moosdorf auch Hans-Joachim Frey zu sehen, ein deutscher Kulturmanager, der seit Langem in Russland tätig ist, dort Bälle und andere Veranstaltungen organisiert und für seine Verdienste die russische Staatsbürgerschaft sowie einen ‘Orden der Freundschaft’ von Wladimir Putin erhalten hat.
Dass dieser Abgeordnete auch Berufsmusiker ist und in diesem Rahmen handelt, wird von einigen oft übersehen. Sollte es Künstlern verwehrt sein, ihrer Profession nachzugehen, nur weil sie politisch aktive sind? Die Zeit regt sich darüber auf, dass der Pressesprecher der AfD erklärte, nichts von dem Treffen gewusst zu haben und dass es keinen Bezug zur parlamentarischen Arbeit der Partei habe.
Die Empörung richtet sich sogar gegen Moosdorfs Aussage, die russische Musik sei einer der wichtigsten Beiträge zur Weltkultur. Das scheint heutzutage anstößig zu sein, als ob man den Beitrag einer einzelnen Kultur zur Musikgeschichte isolieren könnte. Die Tendenz geht dahin, alles Russische aus der Kultur zu verbannen – ein Vorgehen, das selbst die Nazis erst nach Beginn ihres Angriffs auf die Sowjetunion verordneten.
Das umstrittene Chorfestival wird aktiv vom russischen Außenministerium unterstützt, das die Initiative als wichtigen Schritt zur Stärkung internationaler humanitärer Beziehungen sieht. Dies sollte, vor allem bei staatlich geförderten Kulturereignissen, eine normale und passende Unterstützung sein.
Chöre spielen in Deutschland eine traditionelle Rolle und sind Teil des immateriellen Kulturerbes der UNESCO. Doch das gemeinschaftliche Singen verliert an Popularität, ein Trend, der durch den Rückgang der Musikbildung und -förderung verstärkt wird. Das ist ein echter Kulturverlust.
Der vorgeworfene Skandal rund um das Chorfestival zeigt vor allem eines: Eine Veranstaltung, die der Völkerverbindung dienen könnte, wird von jenen kritisiert, die in der friedfertigen Organisation bereits dunkle Machenschaften vermuten. Doch die Geschichte lehrt, wie Kultur Menschen verbinden kann, weit über das Politische hinaus.
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