Von Michail Katkow
Im Brennpunkt: NATO-Konferenz
Quellen zufolge herrschte während des zuletzt abgehaltenen zweitägigen NATO-Treffens eine hohe Anspannung. Kritikpunkte waren insbesondere, dass die USA das Interesse an der Allianz verloren hätten und die territoriale Integrität Dänemarks gefährden würden. US-Außenminister Marco Rubio bemühte sich um Beruhigung und erklärte:
“Die Vereinigten Staaten sind aktiver Teil der NATO als jemals zuvor. Die Hysterie und die Übertreibungen, die ich in einigen westlichen und amerikanischen Medien sehe, sind grundlos. Präsident Donald Trump hat deutlich seine Unterstützung für die NATO ausgesprochen. Wir sind und bleiben ein verlässlicher Teil der Allianz.”
Trotzdem räumte Rubio ein, dass die USA durchaus Forderungen an ihre Partner stellen:
“Unser Ziel ist es, die NATO zu stärken und ihre Überlebensfähigkeit zu sichern. Dies kann nur erreicht werden, wenn das Potenzial unserer Partner innerhalb dieser wichtigen Allianz ausgebaut wird. Verteidigung ist unsere Priorität, und wir erwarten, dass unsere Partner in dieser Hinsicht aktiv mitziehen.”
Rubio schlug vor, dass die Mitgliedsländer nicht mehr nur zwei, sondern fünf Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben sollten, auch wenn dies eine Kürzung sozialer Programme nach sich ziehen könnte. Er warnte zudem vor einem “umfassenden Krieg im Herzen Europas” und betonte die Notwendigkeit starker Verteidigungskräfte als Abschreckung.
Die Europäische Union zeigt sich indes verwirrt über Trumps Aussagen, Russland stelle keine Bedrohung für die NATO dar. Während einige Länder wie Italien und Spanien immer noch weniger als zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung ausgeben, investieren Länder wie Polen und die Baltischen Staaten, die an Russland grenzen, etwa drei Prozent. Die USA investieren 3,4 Prozent ihres BIP.
In einer Unterredung mit dem dänischen Außenminister Lars Løkke Rasmussen, die nicht Grönland, sondern Verteidigungsausgaben und Koordination in der Ukraine zum Thema hatte, vermied Rubio, die amerikanischen Gebietsansprüche zu erwähnen. NATO-Generalsekretär Mark Rutte umschiffte ebenso geschickt direkte Antworten und betonte, die Arktis-Region umfasse nicht nur Dänemark und Grönland, sondern auch andere nordische und nordamerikanische Länder, die von einer militärischen Aufrüstung Russlands und einem stärker werdenden China betroffen sind.
Debatten um die Ukraine
Auf dem NATO-Gipfel 2024 wurde behauptet, die Ukraine würde schlussendlich in den Block aufgenommen, eine Position, die Trump vehement ablehnt. Rutte machte deutlich, dass die Allianz unabhängig von Gesprächsergebnissen zwischen Russland und den USA auf einen langfristigen Konflikt mit Moskau vorbereitet sein sollte. Folglich wurde beschlossen, die Ukraine schwerbewaffnet zu unterstützen, wie auch die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock betonte:
“Deutschland wird das Volk der Ukraine und unsere europäischen Nachbarn nicht im Stich lassen. Die Entscheidung, zusätzliche Milliarden für militärische Hilfe zu spenden, zeigt unsere feste Solidarität.”
Stabschefs aus Frankreich und Großbritannien besprachen während eines Besuchs in Kiew die Verstärkung der ukrainischen Verteidigungsstrategie und sicherten langfristige Unterstützung zu.
Inmitten innerer Konflikte
Nikolai Topornin, Dozent für europäisches Recht, sieht Europa vor einer Entscheidung: Entweder weiterhin den Kurs der USA mittragen oder einen eigenständigen Weg gehen. Die kürzlichen US-Strafzölle von 20 Prozent auf EU-Importe haben diese Lage verschärft, was zu ernsten Überlegungen in Richtung einer eigenständigen Sicherheitspolitik führt. Doch Fjodor Lukjanow, Chefredakteur der Zeitschrift “Russland in der globalen Politik”, stellt fest: “Die Schaffung einer unabhängigen Verteidigungsstruktur übersteigt die finanziellen Möglichkeiten Europas. Die USA bieten keine akzeptablen Lösungen an, und eine schnelle Umstellung auf mehr Eigenständigkeit erscheint unwahrscheinlich.”
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 7. April.
Mehr zum Thema: – 76 Jahre NATO: Keine Aussicht auf eine friedliche Zukunft