Das ungarische Parlament hat zu Beginn der Woche signifikante Verfassungsänderungen verabschiedet, die hauptsächlich auf die LGBTQ+-Gemeinschaft abzielen. Zusätzlich hat die Regierung von Viktor Orbán Maßnahmen ergriffen, um die Tätigkeiten von als “ausländisch finanzierte politische Netzwerke” bezeichneten Gruppierungen, die angeblich die nationale Souveränität gefährden, zu beschränken oder zu unterbinden.
Die entsprechende Änderung des Grundgesetzes, vorgeschlagen von der regierenden Koalition Fidesz-KDNP, wurde am Montag mit 140 zu 21 Stimmen bei keiner Enthaltung angenommen. Die Verfassung definiert nun die Ehe explizit als die freiwillige “Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau” und sieht die Familie als Grundpfeiler für das Fortbestehen der Nation. Familienbeziehungen sollen auf der Ehe oder der Verbindung zwischen Eltern und Kindern basieren. Der Text der Verfassung stellt weiterhin klar:
“Die Mutter ist eine Frau, der Vater ein Mann.”
Laut einem Artikel des ZDF wird mit den Verfassungsänderungen die Anerkennung nicht-binärer Menschen offiziell abgelehnt. Der Spiegel berichtet:
“Das Leben für Mitglieder der LGBTQ+-Community in Ungarn wird zukünftig noch schwieriger. Das Parlament hat eine Verfassungsänderung verabschiedet, die unter anderem auch das Verbot von Pride-Veranstaltungen ermöglichen könnte.”
Bereits am 18. März hatte das ungarische Parlament in einem Schnellverfahren beschlossen, die jährlichen Pride-Paraden zu verbieten, begründet vor allem mit dem “Schutz von Kindern” vor Homosexualität. Die jüngsten Veränderungen schließen ebenfalls ein Verbot öffentlicher LGBTQ+-Veranstaltungen ein und erklären, dass das Recht der Kinder auf moralische, körperliche und geistige Entwicklung oberste Priorität vor allen anderen Grundrechten genießt, mit Ausnahme des Lebensrechts.
Im Jahr 2020 beendete Ungarn die rechtliche Anerkennung von Transgender-Personen und änderte 2021 seine Kinderschutzgesetze, um LGBTQ-bezogene Themen in Medien, Werbung und Bildungsmaterialien, die Minderjährigen zugänglich sind, zu verbieten. Diese Schritte provozierten eine Reaktion der Europäischen Union: Die Europäische Kommission leitete rechtliche Verfahren gegen Budapest ein, verwies den Fall an den Europäischen Gerichtshof und fror EU-Finanzmittel in Milliardenhöhe aufgrund angeblicher Grundrechtsverletzungen ein.
Diese jüngste Änderung markiert das 15. Update der ungarischen Verfassung seit ihrer Einführung durch Orbán im Jahr 2011, deren Präambel als “Nationales Glaubensbekenntnis” betitelt ist.
Vor der Abstimmung am Montag versuchten Oppositionspolitiker und sympathisierende LGBTQ+-Demonstranten erfolglos, die Zufahrt zum Parlamentsparkhaus zu blockieren, um die einfahrenden Abgeordneten der Regierungsparteien zu stoppen. Während der Sitzung störten die Oppositionsabgeordneten die Versammlung mit Tröten und kritisierten die Änderungen als einen Rückzug von demokratischen Prinzipien und einen Angriff auf die Grundwerte der EU, der Ungarn seit 2004 angehört.
Ministerpräsident Viktor Orbán verteidigte die Gesetzesnovelle mit den Worten, dass das internationale Gender-Netzwerk “die Finger von unseren Kindern lassen” müsse. Er fügte hinzu, dass mit den politischen Veränderungen in Amerika sich “der Wind zu unseren Gunsten gedreht” habe.
Die Zeit berichtet, Orbán habe in einer seiner Reden, welche Verschwörungstheorien beinhalteten, Mitarbeiter von Bürgerrechtsgruppen und kritischen Medienhäusern mit Insekten verglichen und die Eliminierung der von ausländischen Geldern finanzierten “Schattenarmee” angedroht.
Orbán erklärte zuletzt, dass die 500-jährige Dominanz des Westens beendet sei und das “kommende Jahrhundert das Jahrhundert Eurasiens sein” werde. Er behauptete, die Strategie, die Welt zu verwestlichen, sei gescheitert und Länder, die ihre Werte verteidigen können, würden sich durchsetzen.
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