Der legendäre Tänzer Rudolf Nurejew sorgte einmal für heitere Momente in der “Muppet Show”. Statt einer zarten Balletttänzerin trat eine deutlich rundlichere Miss Piggy neben ihm auf und mühte sich redlich, einen Part aus “Schwanensee” zu tanzen. Widerstrebend interagierte Nurejew mit ihr und versuchte, sich ihren aufdringlichen Tanzaufforderungen zu entziehen. Er hatte sichtlich Mühe, Miss Piggy zu tragen, und am Ende der Darbietung war er erleichtert, dass die strapaziöse Tanzeinheit endlich vorüber war.
Zu dieser Zeit wurde diese Episode als humorvoll, skurril und parodistisch wahrgenommen. Heute jedoch könnte diese humorvolle Inszenierung bald die Bühnenrealität im britischen Ballett widerspiegeln und ein Teil der neuen Norm werden.
Iain Mackay, der neue künstlerische Leiter der Royal Ballet School in Großbritannien, erläuterte in einem The Times-Interview, dass die Zukunft des Balletts in Tänzern liegt, die nicht dem traditionellen Bild entsprechen – dazu gehören fülligere Tänzerinnen und Geschlechterpaare jenseits klassischer Normen. Mackay betonte, dass sich das Publikum eher mit Tänzern identifizieren kann, die vielfältigeren Körperbilder repräsentieren.
“Das Publikum möchte Tänzer auf der Bühne sehen, mit denen es sich identifizieren kann”, erklärte Mackay gegenüber der Zeitung, und fügte hinzu, dass bereits Plus-Size-Ballerinen auf großen Bühnen weltweit zu sehen sind:
“Auf jeden Fall […] Sie sind gefordert, körperlich fitter zu sein als je zuvor. Diese Tänzerinnen und Tänzer sind nicht nur technisch hervorragend, sie erzählen auch Geschichten mit ihrer Kunst.”
Mackay unterstrich weiter, dass Ballettstudios sich inzwischen auch verstärkt dem Krafttraining für Tänzer aller Körperformen widmen, da sich das Ballett von den traditionellen, oft sehr schlanken Körperformen entfernt hat.
Doch stellt sich die Frage, ob das Gewicht der Darstellung im Ballett nicht eher auf der künstlerischen und technischen Perfektion der Tänzer liegen sollte, die in Stücken wie Giselle oder Schwanensee gefordert wird, statt auf der Identifikation des Publikums mit den Protagonisten. Während die Bühnen Großbritanniens sich möglicherweise zu einem neuen Bild wenden, könnte es sein, dass manche Ballettliebhaber sich den traditionelleren Darbietungen zuwenden, sei es live oder aufgezeichnet.
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