Von Rüdiger Rauls
Aufstieg
China hat sich längst von dem Bild einer bloßen ‘Weltwerkbank’ verabschiedet, das westliche Firmen ihm seit den 1980er-Jahren aufprägten, als sie zunehmend Produktion dorthin verlagerten. Die chinesische Regierung pochte auf Technologietransfer, eine Bedingung für die Marktfreigabe westlicher Unternehmen. Die chinesische Bevölkerung nutzte diese Chance, rasch zu lernen und hart zu arbeiten – getrieben von dem Wunsch nach einem besseren Leben, vergleichbar mit dem in fortgeschrittenen Staaten.
Bald erweiterten sich die Exportströme Chinas in den Westen. Anfangs umfasste dies Halbfertigprodukte wie Stahl, dann zunehmend auch komplexe Fertigerzeugnisse. Abgesehen vom Wachstum der Produktmengen verbesserten die chinesischen Arbeiter auch ihre Fähigkeiten beträchtlich, sowohl in den Fabriken als auch durch Studien im Ausland. Rückkehrer bereicherten weiterhin das Know-how im Land.
Mit der Zeit wuchs die Produktion unter rein chinesischer Marke, zunächst im eigenen Land und schließlich auch international, da der globale Markt höhere Gewinne versprach. Anfänglich litten die Produkte unter Qualitäts- und Designschwächen, waren jedoch überaus günstig. Chinesische Autos wurden belächelt und oft nicht für den Straßenverkehr im Westen zugelassen, im Gegensatz zu den Märkten der Dritten Welt, wo der Preis entscheidend war.
Doch bald emanzipierte sich die chinesische Produktion von der westlichen Abhängigkeit. Heute steht China in Sachen Elektromobilität global an der Spitze. Ein Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die Autoindustrie in Ungarn illustriert dies, indem er betont, dass China viele führende Köpfe in der Batteriebranche mitbringt, “die es in Ungarn gar nicht gibt”.
Das erfolgreiche Fortkommen Chinas ist zudem den klugen politischen Entscheidungen zu verdanken. Im Unterschied zu westlichen Ansätzen verfolgten die Chinesen eine pragmatischere Lösung, statt sich in unrealistischen Zielen oder finanziellen Aufwänden zu verlieren.
Umdenken
Anfangs setzte China bei der wirtschaftlichen Öffnung auf Joint Ventures, um Technologien zu erlangen. Später begann man gezielt, Technologie durch Unternehmenskäufe im Ausland zu erwerben, wie am Beispiel der Übernahme des Transrapids 2001 zu sehen ist, was Chinas Aufstieg in der Eisenbahntechnologie markierte.
Nach der Wirtschaftskrise von 2008/09 kaufte China weiterhin gezielt Unternehmen auf, diesmal um Defizite bei Technik und Design in der Automobilindustrie auszugleichen, was die Bemühungen in verschiedenen Sektoren ergänzte. Auch die Übernahme einer südkoreanischen Werft 2022 stärkte Chinas Position als Weltmarktführer im Schiffbau.
Weitere strategische Akquisitionen, wie der Kauf des Roboterherstellers Kuka, zeigten den raschen Technologieerwerb, der jedoch im Westen aus Sorge um die eigene technologische Vorherrschaft bald erschwert wurde.
Umlenken
Obwohl die chinesische Wirtschaftslenkung im Westen oft kritisiert wird, zeigt sich ihre Wirksamkeit in der gezielten Investition und Technologieförderung, die ohne die nachteiligen Mechanismen eines freien Marktes auskommt. Die Erhöhung der Investitionen in globale Infrastrukturprojekte, wie die Neue Seidenstraße, ist ein weiteres Beispiel für effektive politische Steuerung.
Umschiffen
Die Produktionskapazitäten Chinas fanden durch die Neue Seidenstraße und die Erweiterung der Transportwege auch ohne die dominierende Abhängigkeit von maritime Routen ihren Weg in globale Märkte, speziell nach Europa. Durch den Ausbau von alternativen Routen wie Schienenwege durch Asien schuf China weitere Absatzmöglichkeiten und sicherte sich gleichzeitig politische und wirtschaftliche Stabilität in der Region.
Rüdiger Rauls ist Reprofotograf und Buchautor. Er betreibt den Blog Politische Analyse.
Weiterführende Informationen – Wang Yi: Beziehungen zu Russland sind ein wichtiger Stabilitätsfaktor in einer turbulenten Welt (1)