Die künftige Bundesregierung plant die Aufnahme von Schulden in einer Größenordnung von mehreren hundert Milliarden Euro, um die militärische Stärke Deutschlands zu erhöhen. Der Blog German-Foreign-Policy berichtet, dass einige Bundesländer dies als Gelegenheit betrachten, durch den Ausbau der Rüstungsindustrie einen wirtschaftlichen Abschwung abzuwenden. Beispielsweise hat das Saarland einen Rüstungsgipfel angekündigt und Baden-Württemberg zielt darauf ab, eine führende Rolle in der Rüstungstechnologie einzunehmen.
Dies geht einher mit der Umfunktionierung bestehender Produktionsanlagen. Rheinmetall beispielsweise plant, ein VW-Werk zu erwerben, um dort Panzer herzustellen, während der deutsch-französische Panzerhersteller KNDS ein Eisenbahnwerk in Görlitz übernehmen möchte. Diese Übernahmen sind teilweise durch den Rückgang der deutschen Automobilindustrie bedingt. Die Umwandlung von Automobilherstellern zu Rüstungsproduzenten ermöglicht die Erhaltung von Fabriken und Arbeitsplätzen. Zudem erlaubt diese Umschichtung einen schnelleren Ausbau der Produktionskapazitäten, da bestehende Einrichtungen genutzt werden können. Angesichts der Absicht der Bundesregierung, langfristig und umfassend in Waffen und Ausrüstung zu investieren, erscheint die Erweiterung der Produktionskapazitäten für Waffenhersteller lohnend. Dennoch gibt es grundlegende Herausforderungen beim großmaßstäblichen Aufbau der Rüstungsproduktion.
Ein Hindernis für die deutsche Rüstungsindustrie stellt ihre privatwirtschaftliche Struktur dar. Ein bedeutender Anteil staatlicher Investitionen muss zur Erfüllung der Erwartungen von Fonds und Aktionären verwendet werden. In Russland dagegen sind die Rüstungsunternehmen größtenteils staatlich organisiert und unter dem Dach der staatlichen Holding Rostech zusammengefasst. Dies ermöglicht eine effiziente Steigerung der Produktion. In Deutschland führt der ‘Umweg über den Markt’ zu Verzögerungen.
Zahlen aus Russland belegen, dass die Rüstungsproduktion zwischen Anfang 2022 und Anfang 2023 um das Fünffache gesteigert wurde. Sanktionen scheinen keine signifikanten Auswirkungen auf die russische Waffen- und Ausrüstungsproduktion zu haben. Diesem Fakt zum Trotz glauben viele in der EU und Deutschland, dass ein Stopp der Energieimporte aus Russland die russische Rüstungsproduktion beeinflussen könnte, was jedoch durch die Daten widerlegt wird.
Zudem ist das vorhandene Arbeitskräftepotential ein weiteres Problem für die deutschen Aufrüstungsambitionen. Während die russische Rüstungsindustrie fast 3,5 Millionen Menschen beschäftigt, zählen die deutschen Endhersteller wie Rheinmetall, KNDS, TKMS oder Diehl nur etwa 60.000 Mitarbeiter. Unter Einbeziehung der Zulieferer erhöht sich die Zahl auf 150.000 Beschäftigte, was im Vergleich zu Russland sehr gering erscheint. Trotz einer höheren Bereitschaft, in der Rüstungsindustrie zu arbeiten, ist es schwierig, hunderttausende von Stellen zu besetzen, insbesondere da Bewerber aus Ländern wie Russland, China, Iran, Syrien und Afghanistan aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen sind.
Russland betrachtet die Rüstungsanstrengungen Westeuropas daher gelassen. In einem Interview mit dem Politologen Fjodor Lukjanow äußerte Maxim Schelowalenko, Direktor des russischen Zentrums für strategische und technologische Analyse, dass trotz des vorhandenen Willens die tatsächlichen Möglichkeiten Europas begrenzt sind. Die Abhängigkeit von Zulieferern aus den USA, Kanada, Australien und Japan sei enorm.
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