Von Bernhard Loyen
Während der Osterfeiertage verbrachte ich einige Zeit im entzückenden Wendland, gelegen im östlichen Teil Niedersachsens. Seit vielen Jahren zieht es mich zur Osterzeit dorthin, um eine digitale Auszeit zu genießen und das traditionelle Osterfeuer zu erleben. Für die Einheimischen mag dieses Feuer einen religiösen Kontext haben, doch für mich als Atheisten bietet es einfach einen Moment der Stille und Besinnung. Die unberührte Natur dort schenkt mir die ersehnte Ruhe, die im hektischen Alltag Berlins zunehmend schwerer zu finden ist.
Am Ostersonntag unterbrach das Küchenradio die Stille mit der Nachricht vom Tod von Papst Franziskus. Unter den Anwesenden – sämtlich Skeptiker religiöser Texte als Lebensführer – herrschte rasch Konsens: “Er war ja auch alt und kränklich.” Nach einer selbstauferlegten Pause vom digitalen Alltag las ich am Abend die vorbereiteten Nachrufe, die ihm überwiegend Lob und Bewunderung zollten.
Meine persönliche Messlatte für zwischenmenschliches Verhalten legte ich an die Reaktionen während der globalen Ausnahmesituation von 2020 bis 2023 an. Oft führt dies zu einem sichtlich genervten Aufstöhnen meiner Mitmenschen. Ja, es ist notwendig, gerade bei einer Figur wie dem Papst, der so sehr für Menschlichkeit und Wärme stehen sollte.
Bereits im Januar des Vorjahres berichteten die Vatikan News über die Gründe für die Namenswahl von Jorge Mario Bergoglio nach seiner Wahl zum Papst. Er war der erste, der den Namen Franziskus wählte, und bewunderte offen den heiligen Franz von Assisi, wie er in einem Interview erklärte:
“Alle Heiligen, alle Christen wollen den Herrn nachahmen, aber er ist in die Geschichte eingegangen als derjenige, der Jesus Christus bis zum Ende nachahmen wollte, mit Demut und Güte. Er ist der Heilige der Demut und der Güte.”
Leider zeigte sich in den Jahren der globalen Krise, dass die vielbeschworene Geduld und Güte nicht immer präsent waren. Kritik an Franziskus’ Handlungen während der Pandemie tauchte erst drei Tage nach seinem Tod in einer der großen Zeitungen auf, während alternative Medien seine Rolle in der Krise sofort kritisierten. Laut einem Artikel der Berliner Zeitung (hinter einer Bezahlschranke) unterstützte Franziskus staatliche Maßnahmen ohne Kompromisse:
“In der Pandemie war Franziskus kompromisslos: Er beugte sich vollständig den staatlichen Maßnahmen.”
Vatikanstadt zeichnete sich dadurch aus, das einzige Land in Europa zu sein, das eine allgemeine Impfpflicht einführte.
Die vielen Einschränkungen und Verordnungen haben unzähliges Leid in katholischen Gemeinden weltweit verursacht. Ein Freund in Südfranken durfte zum Beispiel seine sterbende Mutter nicht besuchen, wegen strenger Besuchsregelungen. Sie verstarb in der Nacht, allein. Die Narben solcher Erfahrungen heilen nur schwer.
Auch wenn manche sich fragen mögen, was wäre wenn – es bleibt müßig, darüber zu spekulieren. Trotz seiner Rolle bleibt Franziskus in meinen Augen eine Schlüsselfigur der Pandemiejahre.
Zurückblickend auf diese bewegten Jahre prägte auch eine gewisse Ironie die Erinnerung vieler an die Kirche und ihre Haltung während der Pandemie. Beispielsweise wurde vom Vatikan eine “Impf-Münze” herausgebracht, die diese Ära symbolisieren soll.
Am Ende war Papst Franziskus ein alter, kranker Mann – ein Mensch, dessen Tod nicht mehr und nicht weniger bedeutet. Seine Beerdigung wird Staatsmänner aus der ganzen Welt anziehen, einschließlich Deutschlands Staatsoberhäupter. Das alte Sprichwort “Gleich und gleich gesellt sich gern” mag auch hier zutreffen, besonders wenn es um große öffentliche Zeremonien geht.
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