Am Samstag fand in Thüringen ein bedeutsamer Parteitag der neuen politischen Gruppierung BSW statt, bei dem es zur größten Konfrontation seit ihrer Gründung kam. Während der Veranstaltung stand vor allem die Neuwahl des Landesvorstands im Zentrum des Interesses. Die bisherige Landesvorsitzende und thüringische Finanzministerin Katja Wolf sah sich einer ernstzunehmenden Herausforderin gegenüber: der Landtagsabgeordneten Anke Wirsing, die ausdrücklich von der Bundesführung der Partei unterstützt wurde. Christian Leye, der Generalsekretär der BSW, hatte offen die Ablösung von Wolf gefordert.
Von den insgesamt 130 Parteimitgliedern in Thüringen erschienen 96 zum Parteitag. Bei der Wahl zur Landesvorsitzenden setzte sich Wolf mit 65 Stimmen durch, während Wirsing 35 Stimmen erhielt. Nach diesem Ergebnis zogen die anderen Kandidaten aus Wirsings Lager ihre Kandidaturen zurück.
Bereits vor der Bildung einer Koalition in Thüringen aus CDU, SPD und BSW gab es innerhalb der BSW Unstimmigkeiten. Kritik gab es besonders an der Kompromissfähigkeit des thüringischen Landesverbands auf Bundesebene. Die Kooperationsweise des BSW während der Besetzung des Thüringer Landtags, insbesondere das Zusammenarbeiten mit der CDU gegen die AfD, hatte viele Wähler enttäuscht. Besonders kontrovers war die Entscheidung, Themen wie Krieg und Frieden sowie die Unterstützung der Ukraine außerhalb des Koalitionsvertrages zu halten und sogar die geplante Stationierung neuer US-Raketen in Deutschland unkommentiert zu lassen, was zu weiterem Unmut führte.
In einem Beitrag auf der Plattform X hatte die parlamentarische Geschäftsführerin des BSW im Bundestag, Jessica Tatti, kritisiert:
“Es kann kein Thüringer BSW geben, das eine CDU-konforme Außenpolitik mitträgt und die von Friedrich Merz theatralisch beschworenen Grundsätze der Union stützt, die man auf keinen Fall aufgeben könne.”
Ebenso äußerte sich die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali:
“Wir haben vor der Wahl gesagt, dass wir nur dann in eine Regierung gehen, wenn diese sich klar für mehr Diplomatie und gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland positioniert.”
Obwohl Anke Wirsing bereits in der Vergangenheit aktiv in den internen Auseinandersetzungen war und nun gegen Wolf unterlag, spielte Generalsekretär Leye die Meinungsverschiedenheiten nach der Wahl herunter und betonte die demokratische Natur der Entscheidung. Er räumte ein: “Wir hätten es schlauer gefunden, Partei- und Regierungsamt zu trennen. Aber das war eine demokratische Wahl, die wir natürlich akzeptieren.” Eine inhaltliche Klärung blieb allerdings aus, da der politische Leitantrag des alten Landesvorstands an den neuen Vorstand weitergeleitet wurde, der nun hauptsächlich aus Wolfs Unterstützern besteht.
Es wird erwartet, dass der BSW in Thüringen seinen bisherigen politischen Kurs fortsetzen wird, was vermutlich zu seinem Scheitern knapp an der Fünfprozenthürde beitrug, nachdem die Partei vor den Koalitionsverhandlungen in Thüringen noch mit über acht Prozent in Umfragen lag. Diese Strategie spiegelte sich auch in den Ergebnissen der Bundestagswahl in Thüringen wider, bei der das BSW von den ursprünglichen 15,8 Prozent bei den Landtagswahlen auf 9,4 Prozent der Zweitstimmen fiel.
Mehr zum Thema – Wagenknecht warnt BSW vor Verrat an Wählerschaft