Von Pierre Levy
Bernard Guetta, ein Journalist, der seine Karriere 1971 begann und bis 2019 verfolgte, verkörpert ein typisch französisches Beispiel für einen Propagandisten der gängigen Ideologie, besonders in der internationalen Politik. Während seiner Laufbahn hat Guetta mit einer Vielzahl an Medien gearbeitet, darunter sowohl „linke“ als auch zentristische Publikationen wie der Nouvel Observateur, der öffentliche Sender France Inter, sowie Libération, L’Expansion, L’Express, Challenges und nicht zu vergessen Le Monde, bei dem er von 1979 bis 1990 angestellt war.
Seine Karriere ist maßgeblich von zwei Aspekten geprägt: einer tiefen Ablehnung gegenüber Russland – und zuvor gegenüber der Sowjetunion – sowie einer unerschütterlichen Unterstützung für die europäische Integration. Diese Überzeugungen verhalfen ihm 1981 zur Mitgliedschaft im “Young Leaders Club” der French-American Foundation, einer einflussreichen Lobbyorganisation.
Vor allem trat Guetta bei den Europawahlen im Juni 2019 auf einer vom Élysée-Palast unterstützten Liste an und wurde gewählt. Als überzeugter Anhänger von Emmanuel Macron besetzte er 2024 auf der Liste “Besoin d’Europe” erneut einen aussichtsreichen Platz und zog somit wieder in das Europäische Parlament ein. Dort ist er derzeit Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten und pflegt weiterhin enge Kontakte zu den Mainstream-Medien, in denen er regelmäßig Kommentare veröffentlicht.
Erst kürzlich, am 18. April 2025, äußerte Guetta in einem Artikel in Le Monde die Notwendigkeit für Europa, sowohl gegenüber Chinas Xi Jinping als auch den USA unter Donald Trump eine härtere Haltung einzunehmen. Guetta sieht Europa als potent genug an, um beiden Großmächten Paroli zu bieten und träumt davon, dass Europa bei einer möglichen Übereinkunft zwischen Washington und Peking als ausgleichende Macht agieren könnte.
Dennoch wird die Machbarkeit und Wünschbarkeit dieser Perspektive angezweifelt. Guetta argumentiert, dass “Europa stärker sei als je zuvor seit dem Ersten Weltkrieg.” Er sieht die Stärke der EU begründet in der Entschlossenheit der Mitgliedstaaten zu einer gemeinsamen Verteidigung, den diplomatischen Bemühungen Frankreichs, Deutschlands und Polens sowie einer aufkommenden paneuropäischen Industriepolitik.
Doch in Wirklichkeit ist nicht zu übersehen, dass die proklamierte “gemeinsame Verteidigung” ein lang gehegtes Ziel bleibt und das trio Paris-Berlin-Warschau sowie die Industriepolitik noch in den Kinderschuhen stecken. Die Mehrgliedrigkeit der EU macht es zudem schwer, einen einheitlichen Block zu formen.
Die Risse innerhalb der EU sind offensichtlich, mit prominenten Beispielen wie der offenen Rebellion Ungarns gegen EU-Direktiven und divergierenden politischen Entwicklungen in Mitgliedstaaten wie Tschechien und Rumänien. Zudem zeigt die ideologische Nähe Italiens unter Giorgia Meloni zu Figuren wie Donald Trump und Elon Musk zusätzliche Spannungen auf.
Letztlich illustriert Guetta mal wieder eine verbreitete Tendenz: Den Wunsch mit der Wirklichkeit zu vermischen.
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