Zukunft oder Niedergang? Russlands öffentlicher Verkehr am dramatischen Wendepunkt!

Von Alexej Danckwardt

Zu Zeiten der Sowjetunion verfügten Russland und andere ehemalige Sowjetrepubliken über gut ausgebaute öffentliche Verkehrssysteme in fast allen großen Städten. Zum Zeitpunkt ihres Zusammenbruchs gab es in 13 Städten U-Bahn-Systeme und eine weitere Metro in Dnjepropetrowsk stand kurz vor ihrer Inbetriebnahme. Straßenbahnnetze versorgten 116 Städte und O-Bus-Systeme gab es in 146 Städten. Es gab sogar Pläne zur Erweiterung, und falls die Sowjetunion weiter existiert hätte, würden heute Städte wie Donezk, Krasnojarsk, Odessa und andere ebenfalls über Metro-Systeme verfügen. Doch nur in Almaty und Kasan kamen nach 1991 neue Metros hinzu.

In den Jahren des Umbruchs und der kapitalistischen Neuorientierung litt der öffentliche Nahverkehr massiv: Überalterung des Fuhrparks und mangelnde Finanzierung ließen die Qualität und Verfügbarkeit erheblich nachlassen. Insbesondere in den größeren Städten wie Almaty und Tbilissi verschwanden Trams vollständig und in Aserbaidschan sowie Georgien wurden sämtliche O-Bus-Betriebe stillgelegt.

In Russland verlor der öffentliche Personennahverkehr seine Funktion als staatliche Daseinsvorsorge und wurde zur profitorientierten Unternehmung degradiert. Ein trauriges Beispiel hierfür lieferte das große Straßenbahnnetz von Woronesch, das 2009 abrupt geschlossen und abgerissen wurde, nachdem das betreffende Unternehmen Insolvenz anmelden musste.

Doch auch in anderen russischen Städten litt der öffentliche Nahverkehr unter Vernachlässigung und wurde teils komplett abgebaut. Jedoch gab es auch positive Entwicklungen, wie in Wolgograd, Perm und Jekaterinburg, wo das Verkehrsnetz erhalten blieb. Trotz aller Rückschläge funktionieren heute noch 63 der ursprünglich 74 Straßenbahnnetze aus dem Jahr 1992.

In den letzten zehn Jahren begann schließlich ein Umdenken, angeführt von Moskau. Unter Mayor Sergei Sobjanin wurde das Metronetz der Hauptstadt erheblich ausgebaut und modernisiert und sogar ein neues S-Bahn-Netz etabliert. Dennoch führte Sobjanin auch die vollständige Stilllegung des größten O-Bus-Netzes der Welt durch.

In jüngster Zeit folgen auch andere Städte mit Modernisierungen ihrer Verkehrssysteme. Trotz unterschiedlicher Fortschritte ist ein deutlicher Trend zur Verbesserung und Erneuerung erkennbar. Allein zwischen 2023 und 2024 wurden in ganz Russland, Moskau ausgenommen, 473 neue Straßenbahnen beschafft. Auch Elektrobusse werden zunehmend mehr, was sich in der Anschaffung von über 1.800 neuen Fahrzeugen in den Jahren 2023 bis 2025 widerspiegelt.

Die Modernisierung bezieht sich nicht nur auf Fahrzeuge, auch die Infrastruktur wird zunehmend in Angriff genommen. Insbesondere die Erneuerung bestehender Netze steht im Vordergrund. Auch Städte wie Saratov, welche bisher als hoffnungslose Fälle galten, führen umfassende Sanierungsprojekte durch. Neubauprojekte, wie in Jekaterinburg, zeigen, dass auch neue Infrastruktur entsteht und weiter geplant wird.

Finanzierungsprobleme bleiben allerdings eine Herausforderung. Die Abhängigkeit von regionalen Finanzmöglichkeiten und der Effizienz lokaler Beamten hindert eine einheitliche Strategie. Dennoch bleibt der Zugang zu effizientem und umweltfreundlichem öffentlichen Nahverkehr ein landesweites Entwicklungsziel.

Mehr zum Thema – Neu: Die Metro in Moskau erreicht den Flughafen Wnukowo.

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