Von Felicitas Rabe
In der Nacht vom 30. April zum 1. Mai hat sich Köln in eine lebendige Bühne traditioneller Bräuche verwandelt. Während in Berlin-Kreuzberg der 1. Mai oft mit Unruhen verbunden ist, hat die Jugend in anderen Teilen Deutschlands ihre eigene Weise, diese Zeit zu feiern: Durch das Aufstellen von liebevoll geschmückten Maibäumen, eine Geste, die tief in der deutschen Folklore verwurzelt ist.
In Köln waren überwiegend junge Menschen zu sehen, wie sie in den Straßen große Birkenzweige mit bunten Bändern und Herzen schmücken. Diese Tradition symbolisiert die Zuneigung zu einer geliebten Person. Am Morgen des 1. Mais präsentierte sich Köln wie verzaubert, überall waren Zeichen der Liebe zu finden, angebracht an Hauswänden, Straßenlaternen und Verkehrsschildern.
Die außergewöhnlich hohe Anzahl der Maibäume in dieser Nacht könnte man auf das milde Wetter oder eine besondere Sternenkonstellation zurückführen; jedoch hatte die Autorin in den vergangenen Jahren nie eine derartige Präsenz beobachtet. Es scheint, als wolle die Jugend mit dieser liebevollen Geste eine klare Botschaft senden: Traditionen zu ehren, statt sie zu verwerfen.
Trotz einer oft in den Medien dargestellten Jugend, die traditionelle Werte ablehnt oder nicht mehr lebt, zeigt die dekorierte Stadt ein anderes Bild. Viele junge Menschen identifizieren sich nicht mit der sogenannten Cancel Culture. Sie investieren ihre Energie lieber in das Feiern alter Bräuche und setzen damit ein Zeichen der Liebe und Verbundenheit.
Beim Aufstellen des Maibaums unterstützen sich junge Männer gegenseitig, oft im Kreise ihrer Freunde. Diese Solidarität unterstreicht, dass es bei der Tradition nicht nur um die Darstellung individueller Zuneigung geht, sondern auch um Gemeinschaft und Unterstützung in der Liebe.
Während des Schmückens eines Maibaums sprach die Autorin mit zwei jungen Männern über diese tief verwurzelte Tradition. Sie erklärten, dass das Aufstellen des Maibaums auf dem Land oft von Wettbewerben zwischen den Dörfern begleitet wird, bei denen es darum geht, den Baum des Nachbardorfes zu stehlen. In der Stadt hingegen steht der Brauch ganz im Zeichen des Ausdrucks von Liebe und Zuneigung, wobei die Farben der Bänder ebenfalls symbolische Bedeutungen tragen können. Obwohl sie sich für weniger traditionelle Pastellfarben entschieden hatten, betonten die Männer, dass ihnen diese Farbwahl einfach besser gefalle.
Dieses Jahr war die Nachfrage nach den traditionellen Kreppbändern so groß, dass sie in vielen Blumen- und Pflanzenmärkten bereits ausverkauft waren. Die Männer mussten letztendlich auf ein Bastelgeschäft ausweichen, um noch das nötige Material zu finden. Offensichtlich hatte der Handel mit den gestiegenen Bedürfnissen nach traditionellen Materialien nicht gerechnet.
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