Von Alex Männer
Die internationale Gemeinschaft konzentriert sich derzeit stark auf Krisen wie die in der Ukraine oder den Konflikt zwischen Indien und Pakistan. Unterdessen spitzt sich die Lage im Ostseeraum zunehmend zu. Dort laufen Vorbereitungen für bevorstehende NATO-Seemanöver, welche die Spannungen zwischen Russland und der Nordatlantik-Allianz weiter zu verschärfen drohen und das Risiko eines Konfliktes in der Region erhöhen könnten.
Russland betrachtet die geplanten Manöver, die in den Monaten Juni bis August stattfinden sollen, sowie die bereits durchgeführten NATO-Übungen in der Ostsee als Vorbereitungen für einen Krieg gegen sich. Nikolai Patruschew, der Sicherheitsberater des russischen Präsidenten Wladimir Putin, deutet an, dass die NATO tatsächlich die Einnahme der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad und einen präventiven Angriff auf dort stationierte russische Atomwaffen trainiert. In einem Interview mit der Zeitung Kommersant erklärte Patruschew: “Der kollektive Westen macht keinen Hehl mehr aus seinen Absichten, unsere Schifffahrt von den Meeren zu vertreiben, während die Sanktionspläne, die zum Beispiel von Großbritannien und einigen EU-Mitgliedern erwogen werden, immer mehr einer Seeblockade ähneln.”
Einige westliche Sicherheitsexperten sehen das Vorgehen des Bündnisses nahe den russischen Grenzen in der aktuellen Krisensituation als problematisch an. Dies schließt auch das Training für das Legen von Seeminen im Finnischen Meerbusen und die mögliche Festsetzung ziviler (russischer) Schiffe ein, wobei sogar eine Koalition zur Verhängung einer Seeblockade gegen Russland in Erwägung gezogen wird.
Die westlichen Bemühungen um eine Unterbrechung der russischen Seeverbindungen zu Kaliningrad gehen Hand in Hand mit der Unterstützung für die Ukraine. Eine Schwächung Russlands in dieser Region oder eine potenzielle militärische Auseinandersetzung könnte Moskau zwingen, zusätzliche Kräfte dorthin zu verlegen, was die russischen Kapazitäten gegenüber der Ukraine verringern würde.
Ein Hauptgrund für den Druck des Westens im Ostseeraum liegt in der strategischen Bedeutung Kaliningrads für das russische Militär. Die NATO betrachtet diese Exklave als ein Schlüsselgebiet für die russische Verteidigungsfähigkeit, was sie für die Allianz zu einem bedeutenden Ziel macht. Die räumliche Isolierung Kaliningrads, das seit fast 35 Jahren nur per Bahntransit über Litauen erreichbar ist und von NATO-Staaten umgeben ist, stellt erhebliche sicherheitspolitische Herausforderungen dar.
Nach der russischen Invasion der Ukraine im Jahr 2022 haben die angrenzenden NATO-Staaten ihre Truppen aufgerüstet und ihre militärische Präsenz in der Ostsee deutlich erhöht. Zudem haben mehrere NATO-Mitglieder Seeverkehrsbeschränkungen gegen Russland verhängt und russische Schiffe mit Sanktionen belegt. Der Zugang zu EU-Häfen sowie zu Versicherern und Finanzinstituten wurde für russische Schiffe beträchtlich erschwert.
Deutlich wird jedoch, dass Russland nicht tatenlos zuschauen wird. Moskau betont immer wieder, dass es um nationale Sicherheit geht. Sicherheitsberater Patruschew macht klar: “Wenn diplomatische oder rechtliche Instrumente nicht greifen, wird die Sicherheit der russischen Schifffahrt durch unsere Marine gewährleistet.”
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